Ungelsheim. .

Er besitzt das letzte Lebensmittelgeschäft in Ungelsheim: Hüsnü Bakla, Kiosk-Verkäufer aus der Türkei. Nachdem der Supermarkt in Ungelsheim geschlossen wurde, ist Baklas Kiosk der einzige Laden, der - im weiteren Sinne - Lebensmittel führt.

Entsprechend und ungewöhnlich groß ist das Sortiment der Trinkhalle. In den prall gefüllten Regalen findet sich fast alles: Zwischen Ziga-retten, Süßigkeiten und Bier gibt es Zucker, Milch, Öl, Würstchen, Nudeln, Reis und Maggi-Saucen. „Vielleicht verkaufe ich bald auch Obst und Gemüse“, sagt Bakla. „Ich hatte früher ein Gemüse-Geschäft. Das wäre kein Problem.“ Vor allem am Wochen-ende kämen Kunden, denen zuhause was fehlt, berichtet der 36-Jährige. Egal was es ist, Bakla hat es vorrätig. Oder er besorgt es. „Das ist mein Ver-sprechen. Wenn ich etwas nicht da habe, bringe ich es am nächsten Tag mit.“ Bestimmte Zigaretten- oder Biermarken hat er nur für wenige Kunden im Sortiment.

Für seine treuen Kunden tut der Kiosk-Betreiber fast alles. Wenn sie krank sind, bringt er ihnen Zeitung und Brötchen auch schon mal nach hause. Das gehört zum Service der einzigen Ungelsheimer Trink-halle. Um halb sechs morgens öffnet Hüsnü Bakla die großen Eisentüren seines Kiosk, der früher mal eine Garage war. Erst seit fünf Monaten arbeitet er in Ungelsheim. „Früher hat-te ich eine Trinkhalle in Hoch-heide“, erzählt er. Für die Fa-milie gab er den Kiosk auf. Doch er begann, die Trinkhalle zu vermissen. „Meine Kunden haben mir gefehlt“, sagt er. So kehrte er in Ungelsheim in das Gewerbe zurück. Kiosk-Verkäufer zu sein, das sei nicht wie bei Aldi an der Kasse zu sitzen. „Im Supermarkt bleiben die Kunden anonym. Hier sind sie wie eine Familie für mich.“ Da vergesse man sogar die Schwierigkeiten, die die Kiosk-Arbeit mit sich bringe.

Für die Familie hat Bakla nämlich nur wenig Zeit. Den größten Teil des Tages steht er selbst in seiner Trinkhalle. Be-kannte und Verwandte helfen ihm zwischendurch aus. Wenn gerade einmal nicht so viel los ist, zieht er sich ins Hinter-zimmer der kleinen Kiosk-Garage auf eine kleine rote Ledercouch zurück. Auch wenn der Verdienst im Kiosk nicht hoch ist, macht Bakla die Arbeit gerne. „Für meine Kinder“, sagt er. „Ich kann nicht zuhause rumsitzen.“ Hartz IV beziehen wolle er auch nicht. „Da arbeite ich lieber doppelt so viel wie andere, damit meine Kinder eine gute Zukunft haben.“ Doch manchmal zweifelt er auch an dieser Einstellung: „Was ist, wenn meine Kinder später sagen, dass ich zu wenig Zeit für sie hatte?“ Dem will Bakla entgegenwirken. Für den Sommer richtet er neben der Trinkhalle eine Grillecke nur für sich und seine Familie ein. Abends um neun schließt Hüsnü Bakla das Eisentor sei-ner Trinkhalle. Dann muss er schnell zum Großmarkt, Ware für den nächsten Tag einkaufen. Bakla liebt seinen Kiosk. Doch er weiß, dass es das Ge-werbe schwer hat. „Wenn es Trinkhallen irgendwann nicht mehr gibt“, sagt er mit Sorge, „dann stirbt ein Stück Kultur.“