Fast alleine überzeugte der Ungelsheimer Pipeline-Gegner gestern die Abgeordneten im Landtag von den Mängeln
Dass Wingas, Erbauer der umstrittenen CO-Pipeline von Dormagen nach Uerdingen, erst nach dem Bau der Leitung in sensiblen Bereichen nach Kampmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg suchte, hat offenbar bei CDU, SPD und FDP im Landtag das Vertrauen in die Sicherheit des Projekts untergraben. Drei Monate vor der Landtagswahl stellten sie sich gestern auf die Seite der Bürgeriniatitiven. Allerdings lehnten sie gestern im Umweltausschuss den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ab, das Enteignungsgesetz, das den Bau der Leitung 2006 erst möglich gemacht hatte, aufzuheben. Der Vorstoß der Grünen machte aber eine Sachverständigen- Anhörung möglich, bei der gestern die große Stunde von Erich Hennen, dem Sprecher der Duisburger Pipeline- Gegner, schlug. Denn seinen Argumenten zur mangelnden Sicherheit hatten die vier hochkarätigen Industrievertreter praktisch nichts entgegenzusetzen.
Dabei waren fürWingas Ernst Schwanhold, der frühere NRW-Wirtschaftsminister, und Manfred Bast, der Leiter des Bereiches Netz bei der gemeinsamen Tochter von BASF und Gazprom, erschienen, außerdem Dr. Jürgen Hinderer, der Chefingenieur der Bayer-Tochter BMS, und Wilfried Köplin, der Verantwortliche für die Energiepolitik bei Bayer.
„Was ist der Unterschied zum U-Bahn-Skandal von Köln?“, fragte Hennen. Und gab zur Antwort: „Dass es hier um eine um 25 % schmalerer Geogrid-Matte geht, darum, dass man das Trassenwarnband weggelassen und dieCOLeitung nur als normale Ferngasleitung ausgeschildert hat - ungeheuerlich.“ Würde Bayer in Uerdingen ein Gaskraftwerk statt eines Kohlekraftwerks errichten, so Hennen weiter, dann könnte damit die CO-Produktion vor Ort beliefert werden. „Das kostet mehr, wäre aber innovativ.“ Zur Zeit setze Bayer beim Kraftwerk nur auf den niedrigen Weltmarktpreis für Kohle. An der Solidität der technischen Ausführung der Pipeline, etwa bei den Schweißnähten, habe man keine Zweifel. Worum es gehe, seien Eingriffe von außen. „Sie sind für bis zu 40 % aller Störfälle verantwortlich.“
Am häufigsten seien Unfälle bei Baggerarbeiten. Auch das Problem der Kampfmittel sei keine Kleinigkeit, verdeutlichte Hennen den Abgeordneten. Allein beim schwersten Lufangriff auf Duisburg Mitte Oktober 1944 seien 9000 Bomben auf die Stadt gefallen. Es habe 3000 Tote gegeben. Etliche Bomber seien angesichts des Flak-Feuers abgedreht. Um aber mit ihrem Sprit wieder bis nach England zu kommen, hätten sie ihre Last abwerfen müssen. „Der Duisburger Süden war ein beliebtes Abwurfgebiet.“ Zwei Prozent aller Bomben hätten aber chemische Auslöser, die auch nach Jahrzehnten hochgehen könnten. Sie aber seien nicht sicher ausgeschlossen, weil nur der geringste Teil der Trasse detektiert worden sei.
„Daher kommen die Ängste der Menschen.“ Denn schon bei einem nicht explosiven Störfall sei bei dem geruchund geschmackslosen Gas praktisch keine Rettung möglich. Die Industrievertreter argumentierten auf einer anderen Ebene: Sie gestanden die von Johannes Remmel (Grüne) vorgehaltenen eigenmächtigen Abweichungen von der Genehmigung in 70 Fällen ein, betonten aber die wirtschaftliche Bedeutung der Leitung für den Chemiestandort NRW. Niemals habe man, so Manfred Bast, die Absicht gehabt, die Leitung ohne Erfüllung sämtlicher Auflagen in Betrieb zu nehmen. Landes- und Bezirksregierung hatten zuletzt einen anderen Eindruck. „Vertrauen kann man nur langsam wieder aufbauen“, betonte Ernst Schwanhold. Wingas jedenfalls habe aus den Pannen beim Bau bereits personelle Konsequenzen gezogen.