Duisburg. Einer ukrainischen Familie steht eine Wohnung in Duisburg in Aussicht, aber die ist dem Amt zu teuer. Doch jetzt gibt es einen Hoffnungsschimmer.

„Wir können die beiden nicht rauswerfen, die sind doch mittlerweile Familie“, sagt Sabine Witte, und in ihrer Stimme schwingt Verzweiflung. Sabine Witte und ihre Tochter Jasmin haben die 29 Jahre alte Ukrainerin Yana Kuenai Tabola und ihren fünfjährigen Sohn Konstantin in ihrer Wohnung in Duisburg-Rahm aufgenommen. Zusammen mit Nachbarin Bianca Kraul und engagierten Duisburgern aus der ganzen Nachbarschaft kümmert sich die Altenpflegerin um die Menschen aus Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, die mit allgegenwärtigem Tod traurige Berühmtheit erlangt hat.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

In Rahm sind Mutter und Sohn jetzt sicher, „die beiden träumen auch nur noch ganz selten vom Krieg“, erklärt Sabine Witte. Und doch droht das nächste Unheil, nicht zu vergleichen mit einem Krieg zum Glück, aber für die beiden Ukrainer trotzdem katastrophal. Gleich neben Familie Witte ist eine Wohnung frei, sie misst 57 Quadratmeter und der Vormieter würde den potenziellen Nachmietern beinahe die komplette Einrichtung inklusive Küche überlassen. Bloß, es gibt ein Problem: 71,32 Euro.

Konstantin aus der Ukraine ist in Duisburg-Rahm längst heimisch

Um diese Summe ist die Wohnung nämlich zu teuer. Zu teuer, gemessen an dem Katalog, nach dem das Amt für Soziales und Wohnen die Mieten für geflüchtete Ukrainer übernimmt. „Das ist das einzige Problem, das es gibt. Die Nachbarn haben sowieso nichts dagegen, und auch der Vermieter Rheinisch-Heim hat sein Okay gegeben“, erläutert Sabine Witte.

Platz ist in der kleinsten Hütte: Sabine Witte (2. von rechts) hat ihr Schlafzimmer für Yana und Konstantin geräumt – und nächtigt jetzt auf der Couch.
Platz ist in der kleinsten Hütte: Sabine Witte (2. von rechts) hat ihr Schlafzimmer für Yana und Konstantin geräumt – und nächtigt jetzt auf der Couch. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Dabei bräuchte Yana Kuenai Tabola die Unterstützung vom Amt wohl auch nur für einen Monat. Ihr steht ein Job als Dolmetscherin in Aussicht, dann könnte sie die Miete alleine stemmen. Was noch viel schwerer wiegt: Sohn Konstantin ist längst in das soziale Netz in Rahm eingebunden. Als Gastkind darf er täglich drei Stunden in den Kindergarten gehen, beim TS Rahm ist er Teil der Fußballmannschaft. Müssten sich Mutter und Sohn jetzt eine neue Bleibe suchen, fiele die Betreuung von Konstantin durch Kindergarten und Nachbarn weg. Dann könnte Kuenai Tabola nicht arbeiten gehen, weil sie auf ihren Sohn aufpassen muss: ein Teufelskreis.

Duisburger Amt: Ukrainer in Flüchtlingsunterkunft abgeben

Beim Amt für Soziales und Wohnen sagte man Sabine Witte, dass sie „die Familie ja in einer Flüchtlingsunterkunft abgeben“ könne, wenn sie die Unterstützung nicht weiter leisten könne. Ein Satz, den das Amt nicht zum ersten Mal an Duisburger ausgesprochen hat, die privat Ukrainer beherbergen. „Findet sich auf privater Ebene keine Möglichkeit (mehr) für eine Unterbringung, weisen die Kolleginnen und Kollegen des Sozial- und Wohnungsamtes auch auf die städtischen Unterbringungsmöglichkeiten hin“, erklärt Stadtsprecher Maximilian Böttner.

Allerdings fügt Böttner hinzu: „Das sollte, entsprechend der unglücklichen Umstände der Betroffenen selbstverständlich immer mit dem nötigen Fingerspitzengefühl geschehen.“ Bezüglich der guten Jobaussichten von Yana Kuenai Tabola bedauert der Stadtsprecher, dass „wir Änderungen in der Zukunft liegender Lebensverhältnisse, wie in diesem Fall eine mögliche Arbeitsaufnahme, nicht berücksichtigen können.“

Ukrainer in Duisburg-Rahm: Hoffnung auf eine Lösung wächst

Noch ist für Familie Kuenai Tabola aber nicht alles verloren, denn Maximilian Böttner schildert eine theoretische Möglichkeit, dank der Mutter und Sohn die Wohnung trotzdem beziehen könnten. „Da in dem besagten Fall die Kosten für die angedachte Wohnung über der Angemessenheitsgrenze liegen, würden – sofern ein Mietvertrag ohne vorherige Zustimmung des Amtes für Soziales und Wohnen abgeschlossen wird – lediglich die ‘angemessenen Mietkosten’ gezahlt.“ Die Differenz, fährt Böttner fort, müsste dann von den Betroffenen selbst übernommen werden. Eine Hürde, die sich dank der hilfsbereiten Duisburger mit Leichtigkeit nehmen lassen sollte.

Eine Lösung ist also in Aussicht, doch sie muss schnell kommen. Denn der Vermieter Rheinisch-Heim kann die Wohnung nur bis Mitte Mai freihalten, dann geht sie auf den freien Markt. Familie Kuenai Tabola ist in Duisburg-Rahm längst heimisch geworden, vor allem dank der Rahmer selbst. „Ich bin so dankbar für die Menschen hier“, erklärt Yana Kuenai Tabola auf Englisch, „ich habe das Gefühl, dass wir hier am richtigen Ort sind.“ Das Gefühl hat Sohn Konstantin wohl auch. Seine Großmutter, die noch in der Ukraine ist, fragte ihn am Telefon, wann er sie denn wohl besuchen käme. „Gar nicht“, war die Antwort, die Oma solle lieber nach Rahm kommen.

>> LOB FÜR RAHMER NACHBARSCHAFT

  • Sabine Witte lobt die Hilfsbereitschaft der Rahmer ausdrücklich. Bei einer Sammelaktion, nicht nur für Familie Kuenai Tabola, sondern für Geflüchtete generell, hätten unzählige Duisburger Anziehsachen, Spielsachen und mehr vorbeigebracht.
  • „Das ging hier einen Monat zu wie am Flughafen“, erinnert sich Witte. „Manchmal stand ich einfach nur da und habe vor Freude geheult.“