Ob "krauslinks" oder glattrechts", der Umgang mit den Stricknadeln will erst einmal gelernt sein
Schon im Kindergarten fiel der Erzieherin schnell auf: „Frau Verhey, Ihre Tochter Mirjam ist ganz und gar nicht feinmotorisch veranlagt." Fast zwanzig Jahre später hat sich an diesem Faktum nicht viel verändert. Zwar kann ich mittlerweile auf einem Bein stehen und grade auf einer Linie laufen, aber was die Motorik meiner Hände angeht, so hat sich wenig verbessert. Denkbar schlecht waren folglich die Voraussetzungen für „das erste Mal Sockenstricken”.
„Sie haben noch nie ge strickt? Wieso wollen Sie dann sofort eine Socke stricken?”, fragt mich Monika Ropertz bei meinem ersten Besuch in der Huckinger Wollstube. „Haben Sie sonst Erfahrungen im Handarbeiten?” Ich muss verneinen. (Verschwiegen werden die kläglich gescheiterten Versuche mei- ner Großmutter, mir das Häkeln beizubringen.) „Gut, dann beginnen wir am besten mit einem Musterlappen, an dem Sie die verschiedenen Techniken ausprobieren können." Mit einem gelben Wollknäuel und zur Stärke der Wolle passenden Bambusstricknadeln der Größe 4,0 bewaffnet, geht es an die erste Lektion: Maschenaufschlagen. „Stellen Sie sich vor, Sie seien noch in der Schule und hätten ein Gummiband, um dem Lehrer Papierkügelchen an den Kopf zu schnipsen. So halten Sie jetzt den Faden.”
Nach elf aufgeschlagenen Maschen lerne ich nun „richtiges” Stricken in Form von „Krausrechts” gestrickten Maschen. Wie ich schnell feststellen muss, ist es gar nicht so einfach, Wolle, Nadeln und – vor allem – Finger gleichzeitig zu koordinieren. Vor lauter Furcht, mich besonders ungeschickt anzustellen, sind meine Hände verschwitzt. Das hat zur Folge, dass die Wolle nicht recht rutschen will, die Nadeln umso mehr und ich viel Zeit damit verbringe, eine der Beiden unter meinem Stuhl zu suchen. „Benutzen Sie ruhig alle Finger, die Sie haben. Es ist ganz egal, wie das Stricken an sich aussieht”, ermutigt mich die Huckingerin.
„Die Hauptsache ist, Sie bekommen die Wolle von der einen Nadel auf die andere, selbst wenn Sie dabei die Füße zur Hilfe nehmen müssten.” Nach gut zwei Stunden fühle ich mich so sicher und gerüstet, um in den nächsten Wochen alleine weiter zu stricken. „Für mich ist wichtig, dass jeder, der bei mir Stricken lernt, den Laden als selbstständiger Stricker verlässt”, verabschiedet mich Monika Ropertz. In den nächsten vier Wochen packt mich, trotz anfänglicher Skepsis und vielen aufgetrennten Maschenreihen, die „Strickmanie". Morgens im Zug auf dem Weg in die Universität, in der Bibliothek, beim Telefonieren und natürlich vor dem Fernseher: Mein Strickzeug ist einfach überall dabei.
Zugegeben, anfänglich wurde ich von meiner Familie und meinen Freunden belächelt. „Was machst Du? Stricken? Pass’ bitte auf, dass Du dich nicht ausversehen mit der Wolle strangulierst oder Dir mit der Stricknadel ein Auge ausstichst!”
Mit Genugtuung stelle ich fest, dass die Liste derer, die einen Schal bei mir „bestellen”, von Tag zu Tag länger wird. Als die letzten Zentimeter gelber Wolle verstrickt sind, treffe ich Monika Ropertz in ihrem Geschäft. „Ich bin erstaunt und schwer beeindruckt von Ihrer Entwicklung. Am Anfang dachte ich wirklich, Sie würden sich selbst etwas im Weg stehen und sich sehr schwer tun." Aber das Ergebnis überzeugt die passionierte Strickerin. Nun zeigt sie mir, wie ich „Glattrechts” stricke. Zu meinem Erstaunen stelle ich fest, dass mir diese komplizierte Technik leichter fällt, als die „Krauslinks” gestrickten Maschen zu Beginn. Im nächsten Jahr gehe ich vermutlich mit meinen Schals in Produktion. Genug Anfragen habe ich schon. Und dann endlich werde ich wohl auch meine erste eigene Socke stricken.