Duisburg-Huckingen. Wie man auch während der Corona-Krise Mitmenschen erreichen kann, beweist Annette Kaiser aus Huckingen mit Posaune und kirchlicher Musik.
Dreimal täglich sind in Duisburg-Huckingen Posaunenklänge zu hören. Angefangen hat es mit „Der Mond ist aufgegangen. Den Menschen in der Nachbarschaft scheint es zu gefallen. „Es hat noch keiner gerufen, dass ich aufhören soll“, sagt die Musikerin Annette Kaiser. Und das ermutigt sie zum weitermachen. Ihr geht es darum „Menschen zu erreichen, ohne dass man sich versammeln muss“.
Mittlerweile verfolgen diese Idee auch viele andere Menschen in ganz Deutschland und Europa – etwa indem gemeinsam an vielen verschiedenen Orten musiziert und gesungen wird, oder das Lied „You´ll never walk alone“ zeitgleich auf vielen verschiedenen Radiosendern abgespielt wird.
In Duisburg-Huckingen ertönen Posaunenklänge gegen soziale Isolation wegen Corona
Mit ihrer musikalischen Darbietung hat Annette Kaiser am Dienstagabend begonnen. Um 19 Uhr stellte sie sich mit ihrer Posaune auf die Terrasse des Huckinger Pfarrhauses, in dem sie seit drei Jahren mit ihrem Mann Bodo Kaiser wohnt. Dann spielte sie „Der Mond ist aufgegangen“, einen Choral – ein mehrstimmiges Kirchenlied aus dem evangelischen Gesangbuch. Seitdem ertönt Kaisers Posaune dreimal täglich, um 10 Uhr, nach dem Glockenläuten um 12 Uhr und am Abend gegen 19 Uhr.
Dass der Innenhof, in den sie „reinspielt“ eine so gute Akustik bietet, hat die 55-Jährige dabei gar nicht erwartet. Da Musik in ihrem Leben ohnehin eine wichtige Rolle einnimmt – bereits seit ihrem zwölften Lebensjahr spielt sie Posaune – ist ihr in den letzten Tagen ein Gedanke gekommen: „Diese Begeisterung kann ich doch auch teilen“. Inspiriert hat sie zudem das Bild eines Trompeters, der auf einem Balkon in Italien musiziert. Da hat sich Annette Kaiser gedacht: „Das kann ich doch auch machen“.
Reaktionen der Huckinger bleiben zunächst aus – besser läuft es in Neudorf
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Reaktionen aus der Nachbarschaft – mit Ausnahme dankender Worte der Presbyterin – blieben in den ersten Tagen aber noch aus: „Es hat keiner mitgesungen oder geklatscht, aber eben auch nicht gerufen dass ich aufhören soll.“ Also macht sie weiter. Insgeheim hofft sie dabei, dass ihr Mann Bodo Kaiser, Pfarrer der Evangelische Auferstehungsgemeinde Duisburg Süd, die Posaunenklänge zukünftig stimmlich begleitet. Nach ein paar Tagen war es dann doch soweit. „Es gab Beifall aus der Nachbarschaft“, freut sich Annette Kaiser. Als Zugabe ertönte daraufhin „Gib uns Frieden jeden Tag“ aus der Posaune.
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Auch abseits von Huckingen stößt ihre Idee auf Anklang. Nachdem sie den Mitgliedern ihres Neudorfer Posaunenchors davon erzählt hatte, haben sich einige der Aktion angeschlossen. Darunter auch eine musikalische Familie aus Neudorf mit gleich drei Posaunenspielern. „Sie haben gemeinsam am Mittwoch um 19 Uhr auf dem Balkon ihrer Neudorfer Wohnung ,Der Mond ist aufgegangen’ gespielt“, erzählt Annette Kaiser. „Und sie haben sofort Applaus bekommen. Sogar eine Zugabe wurde verlangt.“
Aufruf zum gemeinsamen Singen und Musizieren der Evangelischen Kirche in Deutschland
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Doch warum ausgerechnet der Choral „Der Mond ist aufgegangen“? „Da kann einfach jeder mitsingen“, sagt Kaiser. Wichtig ist ihr bei dem Ganzen aber auch, dass sie niemanden belästigt. Und deshalb beginnt sie auch nicht ganz so früh: „Um acht Uhr morgens wäre es eine Zumutung“. Das von Annette Kaiser gespielte Repertoire an Chorälen geht aber über den einen, weit verbreiteten Choral hinaus. Deshalb mache sie sich auch Gedanken, bevor sie zur Posaune greift: „Die Choräle müssen textlich angemessen sein“. So spielt sie auf die jeweilige Tageszeit abgestimmte Choräle – morgens etwa „All Morgen ist ganz frisch und neu“.
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland hat sich der Aktionen mittlerweile angeschlossen – sie ruft zu einem allabendlichen, um 19 Uhr auf Balkonen oder Gärten stattfindenden, gemeinsamen Singen oder Musizieren auf.
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Auch für die anstehende Osterzeit hat Anette Kaiser bereits musikalische Pläne geschmiedet. Da, wie in vielen Gemeinden, auch die diesjährigen Osterfeierlichkeiten der Auferstehungskirche Duisburg Süd ausfallen, hat sie sich schon etwas überlegt: Entweder am Karsamstag um 24 Uhr oder am Morgen des Ostersonntags möchte sie den Choral: „Christ ist erstanden“ auf ihrer Posaune spielen.