Meist erkennen die 20 DVG-Kontrolleure Schwarzfahrer auf den ersten Blick
„Guten Tag, Fahrkartenkontrolle. Ihre Fahrausweise bitte!” Unverzüglich beginnen die meisten Fahrgäste derU 79 Richtung Düsseldorf in ihren Taschen zu kramen und zeigen anschließend brav ihr Ticket vor. „Besten Dank, und einen schönen Tag noch!” An der nächsten Haltestelle, an der Münchener Straße, wechseln die drei Kontrolleure in die hinteren Wagen. Sie schauen sich die Chipkarten und Einzeltickets genau an. Mit ihrem Prüfgerät können sie kontrollieren, welche Dauerkarten als verloren gemeldet sind.
Erkennen Sie einen Schwarzfahrer auf den ersten Blick? „Meistens schon. Man merkt das den Leuten irgendwie an”, sagen alle Drei übereinstimmend. Wie denn? „Viele gucken sich nervös nach allen Seiten um. Und bleiben in der Nähe der Tür stehen. Oder sie benehmen sich so betont unauffällig, dass es schon wieder auffällt.” Im ersten Waggon der U 79 bleiben alle Fahrgäste relativ entspannt sitzen, schauen in ihre Zeitung oder gucken gelangweilt aus dem Fenster - also keinerlei Hinweis auf potentielle EBE-Fälle. EBE, das ist keine neue Tierseuche, sondern bedeutet in der Amtssprache „erhöhtes Beförderungsentgelt”. Im Schnitt notiert ein Kontrolleur zehn EBE-Fälle, also Schwarzfahrer, pro Schicht. Warum fährt jemand ohne gültiges Ticket? „Kein Geld, keine Ahnung, kein Schuldbewusstsein”, nennen die Kontrolleure mögliche Motive.
Aus Sicherheitsgründen sind die 20 DVG-Kontrolleure nie allein unterwegs. Denn mancher Fahrgast, der ohne gültiges Ticket erwischt wird, lässt seinen Ärger darüber am „bösen” Kontrolleur aus. Deshalb steht auf dem Dienstaus- weis, den die Mitarbeiter gut sichtbar an ihrer Kleidung tragen, nur ein Nummerncode, aber kein Name. Und aus Vorsicht wollen die Kontrolleure, die wir an diesem Morgen begleiten, auch ihren Namen nicht preisgeben. Nennen wir sie A, B, C - Ahmed, der türkische Kollege, der zuvor im Objektschutz gearbeitet hat, Bernd, sein deutscher Kollege, und Corinna, ehemals Friseurin und nun eine von zwei weiblichen Kontrolleuren.
620 000 DVG-Fahrgäste wurden 2008 kontrolliert. 21 000, also 3,2 %, hatten kein gültiges Ticket dabei. Seitdem alle vorne beim Fahrer einsteigen müssen, ist die Schwarzfahrer- Quote rapide zurückgegangen. Zuvor lag sie bei zehn Prozent. Dadurch entgingen der Duisburger Verkehrs- Gesellschaft jährlich rund drei Millionen Euro.
Auf der Strecke vom Hauptbahnhof nach Ungelsheim können sämtliche Fahrgäste heute morgen gültige Tickets vorweisen. Bis auf eine ältere Dame, die offenbar die letzte Tariferhöhung nicht mitbekommen und eine veraltete Vier-Fahrten-Karte abgestempelt hat. Ahmed nimmt ihre Personalien auf. In den ersten Wochen nach einer Tarifumstellung gilt noch Gnade vor Recht, anschließend muss der Kunde zahlen. Ahmed schickt die Kundin mit dem Vermerk „Unkenntnis des Fahrgastes” zum DVG-Kundencenter am Harry-Epstein-Platz. Dort wird geklärt, ob sie 40 Euro erhöhtes Beförderungsgeld zahlen muss oder lediglich den aktuellen Fahrpreis plus Bearbeitungsgebühr. Letzteres kommt nur in Frage, sofern die Kundin der DVG bisher nicht negativ aufgefallen ist.
Grundsätzlich gilt: Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. So reicht das 1,30 Euro- Ticket (Kurzstrecke) für maximal 1,5 Kilometer. „Das sind manchmal drei Haltestellen, manchmal noch nicht mal eine”. Bernd nennt als Beispiel die Strecke von der Haltestelle Auf dem Damm zum Bahnhof Duissern - nur eine Haltestelle, aber knapp drei Kilometer lang. Doch welcher Fahrgast Bearhat schon den Kilometerzähler dabei? „Sie können die Haltestellen in allen Fahrkartenautomaten eingeben. Der Automat zeigt dann das korrekte Ticket an”, entkräftet Bernd das Argument, das er schon hundert Mal gehört hat.
Manchmal allerdings drückt er ein Auge zu. Etwa wenn offensichtlich verwirrte ältere Menschen ihr Ticket nicht abstempeln. In anderen Fällen lässt er ein ungestempeltes Ticket nicht durchgehen. „Tut mir leid, hab’ ich ganz vergessen” zieht nicht. Auch auf den Labello-Trick fällt Bernd nicht rein. „Es gibt Leute, die präparieren ihr Ticket mit Labello und wischen den Stempel anschließend wieder ab”. Solche und andere Betrügereien lernen die Fahrausweiskontrolleure in der Ausbildung, einer sechsmonatigen Schulung als Schutz- und Sicherheitsfachkraft plus Tarifschulung, kennen.
Zu guter Letzt muss eine junge Frau, die ein Kinderticket vorzeigt, Ahmed auf die Wache folgen. Der erfahrene Kontrolleur hegt den Verdacht, dass die junge Dame das 14. Lebensjahr längst überschritten hat. Da sie sich nicht ausweisen kann, müssen ihre Personalien bei der Polizei festgestellt werden. Denn schließlich ist Schwarzfahren eine Straftat. PS: Der Verdacht hat sich bestätigt. Die Jugendliche ist 17 Jahre alt.