Die "Grundschule" beginnt mit Schlägen und Tritten in die Luft. Eher Tanz als Kampf: Profis zeigen eine "Kata"

Schmerzen, das ist es, womit ich fest rechne, als ich zum „ersten Mal” zum Karate- Training fahre. Unsägliche Schmerzen, hervorgerufen durch einen kleinen, mageren Asiaten im weißen Kampfdress mit Stirnband und schwarzem Gürtel, der mir seine Handkanten und Fußsohlen entgegen schleudert. „Vielleicht habe ich auch Glück und er beweist seine Kraft beim Durchschlagen von Ziegeln oder Hölzern”, hoffe ich. Soweit die Vorurteile.

In der Turnhalle der Albert- Schweitzer-Grundschule angekommen, stellt sich schnell heraus, dass keine Kampfmaschine aus Fernost an dem Karatekurs teilnehmen wird. Freundlich werde ich von der Gruppe begrüßt. Unter Karatesportlern ist man per Du. Nach schüchternem Umsehen erspähe ich sogar einen Teilnehmer, mit dem ich es vermutlich aufnehmen kann: Marc, 12 Jahre - und gut zwei Köpfe kleiner als ich.

In der Umkleide bekomme ich ein passendes Outfit: einen weißen Karateanzug mit ebenfalls weißem Gürtel. Und ich lerne bei dieser Gelegenheit sogleich mein erstes japanisches Wort: „Gi”. Es bezeichnet den aus einer Hose und einer Jacke bestehenden Anzug. Beim Anlegen der Karatekleidung ergeben sich bereits erste Schwierigkeiten. „Du hast die Hose falsch rum an”, lacht Mitstreiterin Rahel hinter mir. Netterweise hilft sie mir, die Hose richtig anzuziehen und zuzuschnüren. Auch beim Binden des Gürtels ist sie mir behilflich. Zweimal wird der Gürtel um die Taille gewickelt, das eine Ende durchgezogen und festgeknotet. Fertig.

Außer mir machen noch drei weitere Schnupperteilnehmer beim heutigen Training der Karateabteilung von TuSpo Huckingen mit. Die anderen sind länger dabei und haben schon farbige Karategürtel erlangt. Der weiße Gürtel, der auch mich ziert, kennzeichnet den Anfänger. Gelb, Orange, Grün und Blau weisen den fortgeschrittenen Kämpfer aus. Der Karateprofi trägt den berühmt-berüchtigten schwarzen Gürtel.

Es kann losgehen. Ich bin auf alles vorbereitet. Dachte ich. „Wir beginnen wie immer mit Gymnastik”, verkündet Karatetrainer Eric Röhrig. Gymnastik, damals in der Schule verhasst, bekommt hier eine neue Bedeutung. Situps, auf dem Bauch liegen, dabei Beine und Arme in die Luft heben, sind noch die netteren Übungen. Jedoch: Die Notwendigkeit solcher Übungen ist schnell eingesehen. Hierbei werden die Wirbelsäule gestreckt, jeder Muskel erwärmt, die Koordination trainiert.

Erst dann geht es an das eigentliche Karate. Wir beginnen mit dem „Kihon”, der „Grundschule”. Zu Anfang werden Schläge und Tritte in die Luft geübt. Das ist anstrengend, macht aber auch sehr viel Spaß. Aus dem Augenwinkel beobachte ich den kleinen Marc und mir wird im wahrsten Sinne des Wortes - schlagartig bewusst, dass ich keine ernstzunehmende Gegnerin für ihn darstelle.

Trainer Eric verbessert mich: „Du machst schon eine richtig gute Faust, aber du musst Handrücken und Knöchel in einer Linie halten, sonst verletzt du dich bei einem richtigen Schlag am Gegner selbst.” Auch für meine Schlag-Tritt-Kombination hat der 46-Jährige einen Rat: „Lass’ die Bewegung aus dem Bauch kommen und nimm’ deine Hüfte mit. Der Bauch ist für den Buddhisten sehr wichtig, aus ihm kommt die Kraft des Menschen.

” Zum Abschluss zeigen die Träger der bunten Gürtel ihr Können in einer „Kata”. Darunter versteht man eine Aneinanderreihung verschiedener Techniken, die einen stilisierten Kampf darstellen und, je nach Fähigkeit, in der Komplexität variieren. Vier Augenpaare verfolgen neidisch die ästhetischen Bewegungen der Profis. Die vorgeführten „Katas” gleichen eher einem Tanz als einem blutigen Kampf. Übrigens: Die Schmerzen kamen. Pünktlich um sieben, mit dem Klingeln des Weckers. Muskelkater.

SCHNUPPERTRAINING:

„Leere Hand” _ Das japanische Wort „Karate” bedeutet soviel wie „leere Hand”. Die Kampfkunst - so wie wir sie heute kennen - entstand im 19. Jahrhundert auf der Insel Okinawa. Im Karate werden Schlag-, Tritt-, Stoß- und Blocktechniken angewandt. Fortgeschrittene beherrschen auch einige wenige Hebel und Würfe. Eine gute körperliche Kondition ist für die Ausübung von Karate wichtig.

Wer Interesse hat, die fernöstliche Kampfkunst zu erlernen, kann jeden Montag, 18.30 bis 20 Uhr, Mittwoch, 17.30 bis 19 Uhr, Freitag, 19 bis 20.30, in der Grundschul-Turnhalle Albert- Schweitzer-Straße, Huckingen, an einem Probetraining bei TuSpo teilnehmen.