Duisburg-Grossenbaum. . Der neue Geschäftsführer Andreas Wieck hat langfristige Pläne mit dem Kinderdorf. Zum ersten Mal gibt’s Stellen für den Bundesfreiwilligendienst.

Geschäftsführer, das klingt viel mehr nach Zahlen, als es der neue Job von Andreas Wieck tatsächlich ist. Seit Februar arbeitet er im Kinderdorf Duisburg, seit der Verabschiedung seiner Vorgängerin Ingrid Lauterborn-Astrath als neuer Geschäftsführer. Für den Düsseldorfer ist die neue Stelle nach Stationen anderswo eine Heimkehr. Im Gespräch mit der Südredaktion spricht er über Freude und Schwierigkeiten seiner Arbeit, neue Ideen und ein ehrgeiziges Ziel.

Was haben Sie schon über das Kinderdorf Duisburg gelernt?

Jeden Tag entdecke ich noch etwas Neues. Was mich besonders freut, ist die angenehme Atmosphäre: Die Mitarbeiter gehen mit einem Lächeln im Gesicht hier durch, es ist ein schöner Umgang untereinander und mit den Kindern. Das ist nicht in jeder Jugendeinrichtung so. Da hat meine Vorgängerin großen Wert drauf gelegt: Das hier ist ein Kinderdorf, nicht ein Kinderheim.

Was wussten Sie vorher schon über das Kinderdorf?

Als ich mit dem Beruf angefangen habe, habe ich in Buchholz für einen anderen Träger gearbeitet. Da war das Kinderdorf schon ein Begriff.

Entscheidungen zwischen Pädagogik und Zahlen

Wälzen Sie nur Akten, oder arbeiten Sie auch direkt mit den Jugendlichen?

Beides. Die Kinder, die hier wohnen, erlebe ich täglich live und in Farbe. Sonst bin ich vor allem mit dabei, wenn’s kritisch ist: bei familienrechtlichen Streitigkeiten, dass ich da die Kinder und die Eltern unterstützte. Oder bei Jugendlichen, deren Verselbstständigung ansteht. Ich habe eine pädagogische Ausbildung und eine im Management, habe die pädagogische Leitung und die Geschäftsführung. Wir sind zu groß, um nicht auf die Zahlen zu gucken, und zu klein, um einen reinen Geschäftsführer für teures Geld einzustellen. Manchmal muss ich zugunsten der Zahlen entscheiden, manchmal zugunsten der Pädagogik. Wenn man beide Seiten versteht, kann man gut die Waage halten.

Ist es nicht hart, den Einsatz für Kinder in Euro messen zu müssen?

Bei den Kindern sparen wir nicht. Ob bei Ferienfreizeiten, Sportausrüstung oder Härtefällen. Neulich haben Kinder zum Beispiel einen Tagesausflug ans Meer gemacht, die waren noch nie vorher am Meer gewesen.

Wie können Sie dann sparen?

Wir müssen mehr verdienen. Dafür brauchen wir Spender.

Was ist für Sie das Schöne an der Arbeit für Kinder?

Das, was man macht, trägt im Nachhinein Früchte. Im Alltag erlebt man nicht viel Dankbarkeit – man sagt Teenagern: ,Mach Deine Hausaufgaben’, ,Geh’ zur Schule’. Aber wenn sie mit der Schule fertig sind, mit der Ausbildung oder dem Studium, dann kommen nach vier, fünf Jahren Leute vorbei und zeigen ihren Kindern, wo sie gelebt haben. Dann weiß man: Das hat sich gelohnt.

Vorwürfe eines Ex-Bewohners erschweren die Arbeit

Vor ein paar Jahren erhob ein ehemaliger Bewohner Vorwürfe gegen drei Erzieher des Kinderdorfs, er sei drangsaliert worden. Beeinflusst das Ihre Arbeit?

Die Sache ist geklärt. Was es uns schwer macht, ist: Wenn man das Kinderdorf googelt, kommt das auf der ersten Seite. Das macht es uns schwer, Spender zu finden.

Damals ließ der Bezirksbürgermeister öffentlichkeitswirksam seine Mitgliedschaft im Förderverein ruhen. Ist er inzwischen wieder aktiv?

Nein.

Vor wenigen Jahren hat das Kinderdorf eine WG für jugendliche Geflüchtete eingerichtet. Welche Ideen haben Sie für die Zukunft?

Die WG haben wir noch. Früher hatten wir einen Schwerpunkt auf der Familienrückführung, das soll auch so bleiben. Die Rückführung gelingt aber nicht immer. Deshalb ist die Nachbetreuung ein neuer Schwerpunkt, also der Übergang vom Leben hier dazu, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Jugendlichen gehen zum Teil schon mit 17 in eine Trainingswohnung, wo sie intensiv betreut werden.

Was lernen sie da?

Abends den Fernseher auszumachen. Morgens aufzustehen, auch wenn keine anderen Kinder da sind, die Tumult machen. Wie man auch mit wenig Geld und dem, was noch im Kühlschrank ist, etwas Leckeres und Gesundes zaubern kann – nicht immer nur Tiefkühlpizza. Post öffnen und beantworten. Behördengänge. Und vielleicht der wichtigste Punkt: Mit der Stille klarzukommen. Denn vorher waren rund um die Uhr andere Kinder und Betreuer da – auf einmal nicht mehr. Deshalb lassen viele den ganzen Tag den Fernseher laufen: Damit es nicht so still ist. Früher hatten wir für die Betreuung in der Trainingswohnung vier Stunden pro Woche Zeit, aber das reichte fast nur für die Post. Jetzt haben wir dafür bis zu 20 Stunden.

„Man kann auch mit wenig Geld etwas Schönes machen“

Ihr Lieblingsort für Kinder in Duisburg?

Uns gefällt die direkte Nähe zur Sechs-Seen-Platte, da sind wir fast jedes Wochenende. Das ist ein großer Naherholungswert für wenig Geld. Oder die ganzen Wasser- und Abenteuerspielplätze. Und der Biegerpark: Der ist im Sommer schön schattig. Wir wollen den Kindern zeigen, dass man auch mit wenig Geld etwas Schönes machen kann.

Ihre Vorgängerin hat 40 Jahre hier gearbeitet. Wie lange wollen Sie bleiben?

Bis zur Rente hab’ ich noch 35 Jahre.

<<< ERSTMALS BUFDIS IM KINDERDORF

Seit diesem Jahr bietet das Kinderdorf Duisburg Stellen für Bufdis an. Für dieses Jahr sind die drei Stellen allerdings schon besetzt. Für das Jahr 2019 können sich Interessierte aber schon bewerben.

Wer im Kinderdorf Bufdi werden will, kann entweder im pädagogischen Wohngruppenalltag mitarbeiten oder im Bereich Haustechnik und Gartenpflege, und das für einen Zeitraum zwischen sechs Monaten und anderthalb Jahren. Der Startpunkt kann dabei flexibel gewählt werden.

Wer sich für den Bundesfreiwilligendienst im Wohngruppenalltag entscheidet, unterstützt die Kinder und Jugendlichen bei den Hausaufgaben, begleitet sie zu Arztterminen, zum Einkaufen oder in der Freizeit. Im Bereich Haustechnik und Gartenpflege kümmern sich die Bufdis um Außenanlagen und Grünflächen, erledigen Reparaturen und Renovierungen, richten neue Wohnungen ein und helfen Jugendlichen beim Umzug.

Den Bundesfreiwilligendienst im Kinderdorf können Menschen zwischen 18 und 68 Jahren absolvieren. Fragen dazu beantwortet das Kinderdorf Duisburg, Rotdornstraße 5, unter 0203/283-7385 oder per E-Mail an Geschäftsführer Andreas Wieck, a.wieck@kidodu.de