Duisburg-Wanheim. . Die Künstler Heike Mutter und Ulrich Genth sprechen über die Bedeutung ihres Kunstwerks Tiger & Turtle. Diese werde häufig missverstanden.

Lange schon hatten sie sich auf diese Gelegenheit gefreut und am Donnerstagabend war es für gut 20 Fans von Tiger & Turtle so weit: An einem der bekanntesten Duisburger Kunstwerke trafen sie dessen Schöpfer, Ulrich Genth und Heike Mutter. Das Lehmbruck-Museum hatte die Künstler zur Museumsreihe „Plastikbar“ eingeladen.

Die beiden sprachen nicht nur über die Geschichte ihres Werks, sondern auch darüber, was sie sich dabei gedacht haben. „Wir haben einen anderen Werkbegriff als Künstler in einem Atelier, wir greifen politische und soziale Fragestellungen auf“, sagte Genth, „wir wollen Konflikte aufnehmen, sie diskutieren und verstärken.“ Das sei bei Tiger & Turtle ebenso.

Landmarke stellt Kontrast zwischen schnell und langsam dar

Zwar war in dem Wettbewerb, den die beiden gewonnen haben, vorgegeben, dass auf der Heinrich-Hildebrand-Höhe ein Wahrzeichen entstehen sollte, doch habe das Werk eine besondere Symbolik. „Die Achterbahn steht für höher, schneller, weiter“, aber sie sei nur für Fußgänger. Darin stecke allerdings nicht nur der Kontrast zwischen schnell und langsam, den auch die Tiernamen verdeutlichen. „Der Tiger ist das Symbol für Turbokapitalismus, und er ist vom Aussterben bedroht.“ Die Schildkröte dagegen stehe in China für Weisheit. „Sie ist immer das Symbol für Intelligenz, aber niemals für den Verlierer.“

Dass längst nicht alle die Kapitalismuskritik entdecken, wissen die Künstler und erzählten, dass eine finnische Firma das Werk bereits als Zeichen für das Auf und Ab in der Geschäftswelt ausgelegt hat und dass chinesische Baugiganten es gar nicht als Kunst verstanden, sondern bloß als lustige Idee, eben eine Fußgängerachterbahn. „Sie ist ein Geschenk, das jedem gehört. Aber wenn sie superkommerziell umgedeutet wird, das mögen wir nicht.“ Daher sprach er sich dafür aus, dass gerade Kunst im öffentlichen Raum den Menschen mehr vermittelt werden sollte. Jedoch seien Firmen nicht komplett frei, was sie mit dem weltbekannten Tiger & Turtle anstellen dürfen. Denn die Landmarke gehöre der Stadt Duisburg.

Werk bei Besuchern ein beliebtes Fotomotiv

Dagegen würden sich Genth und Mutter natürlich darüber freuen, dass ihr Werk weltweit beachtet wird und ein sehr beliebtes Fotomotiv ist.

Das hätten die beiden so nicht erwartet, als sie damals ihr erstes Achterbahn-Drahtmodell bauten, das dann von einem 3D-Planer in den Computer übertragen, von Statikern und TÜV-Sicherheitsexperten verfeinert und letztlich zum riesigen Kunstwerk wurde.

Besucher schwärmen von tollem Ausblick

Dass die Besucher am Donnerstag diese Symbolik ebenso sahen, war fraglich, doch alle lobten das Wahrzeichen. „Wenn man durchläuft, hat man einen tollen Rundumblick, ohne dass man sich oder den Oberkörper stark bewegen muss“, sagte eine junge Frau und eine ältere schwärmte von den Sonnenuntergängen auf der Halde. „Es gibt kein größeres Glücksgefühl als ein Kunstwerk, dass über Jahre und Jahrzehnte geliebt und besucht wird“, bedankte sich Genth. Dass es nicht immer so sein muss, weiß er genau: So hätten etwa Neonazis, Identitäre und Pegida in Dresden eine Veranstaltung des Duos mit einem Aufmarsch gestört.

Heike Mutter erwähnte außerdem, dass Tiger & Turtle nicht ewig ein Wahrzeichen bleibe. Denn das Duo denke das Ende ihrer Werke immer mit. Einige Jahrzehnte werde es aber halten. „Wir haben uns gefragt: Was wollen wir unseren Kindern in 30 Jahren hinterlassen? Welches Symbol ist so stark, dass es so lange aushält?“ Die kritische Fußgängerachterbahn könne dies erfüllen. Ulrich Genth könne sich das Kunstwerk aber als „absurde Ruinengestalt“ in der Zukunft vorstellen, denn ein Erholungsort auf vergifteter Erde, das sei ja eigentlich sehr absurd.

Für seine Fans wird Tiger & Turtle jedoch wohl einer der schönsten Orte in ganz Duisburg bleiben.