Duisburg-Wedau. . In der Kirche Am See gibt es vieles nicht, was der Besucher in einer Kirche erwarten würde. Selbst das Kreuz ist nicht da – und doch präsent.
Es ist ein schlichter Raum, der die Kirche Am See bildet: Viel Weiß, dazu Holz, viel Licht. Viel mehr gibt es nicht zu sehen – und doch viel mehr zu entdecken.
Das Kreuz zum Beispiel, das vor den Fenstern von der Decke hängt: Vier bronzene Quadrate, mit einander verbunden buchstäblich scheinbar durch nichts und doch durch etwas, durch: Licht. Licht, das erst im Hindurchscheinen erzeugt, was in der Kirche in seiner gewohnten Form nicht vorkommt, eben das Kreuz. In der Bibel spricht Jesus: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis untergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12)
So taucht die Sonne das Kreuz in Licht, in das Licht der Erlösung, und so ist auch Pfarrer Dirk Sawatzki zu verstehen, wenn er sagt: „Es ist das Licht, das die Atmosphäre hier ausmacht.“ „Lichtkreuz“, nennt Pfarrerin Ute Sawatzki es. „Erwachsene sagen immer: ,Das ist kein Kreuz.’ Kinder verstehen das.“
Ambo und Abendmahltisch haben Altar und Kanzel ersetzt
Dieses Dezente, Zurückhaltende, für das man einen Blick haben muss, daraus spricht die reformierte Tradition. Sie wird auch an anderen zentralen Stellen der Kirche sichtbar gerade dadurch, dass sich dem Auge des Betrachters etwas nicht aufdrängt: Altar und Kanzel gibt es nicht; die ursprünglichen Stücke sind längst an eine Kirche in Litauen gegangen. Am See sind sie ersetzt durch ein Ambo und einen Abendmahltisch: Eichenholz, so massiv wie schlicht. „Von der Opfertheologie sind wir abgerückt“, erklärt Dirk Sawatzki: Der Altar katholischer Kirchen muss aus Stein sein, damit Opfergaben darauf verbrannt werden können; hier wird nichts verbrannt, nichts geopfert, hier darf er Holz sein.
Zentral im Raum steht der Abendmahltisch, darum herum in alle Richtungen Bänke: Das Pfarrerehepaar predigt nicht zu den Gottesdienstbesuchern, sondern mit ihnen, auf einer Ebene wortwörtlich: Die Stufen, die früher zum Altar empor führten, gibt es nicht mehr; ein Podest dient als Erhöhung nur für die Chöre. Die Gemeinde ist sich nah in diesem Raum: „Am weitesten weg sitzt man in der vierten Reihe“, sagt der Pfarrer.
Im Jahr 1924 wurde die Kirche Am See geweiht
Schlicht gehalten sind auch Taufschale und Abendmahlsgeschirr: Der rote Ton sieht nicht nur aus wie jener der Becher vom Kirchentag; er entstammt auch derselben Töpferei.
1924 wurde die Kirche Am See geweiht, nachdem in der ab 1913 entstehenden Siedlung Wedau Gottesdienste zunächst in der Gaststätte „Unter den Eichen“, später in der Schule stattgefunden hatten. Bis 1961 blieb sie in ihrem ursprünglichen Zustand, dann wurde sie renoviert – und zwar umfassend. „Man hat alles verschlichtet“, beschreibt Ute Sawatzki das, und ihr Mann ergänzt: „Alles, was rund war, wurde eckig gemacht.“ Wie es in den 1960er Jahren halt gemacht wurde. Der Renovierung zum Opfer fielen die wohl markantesten Punkte der Kirche, darunter der Kirchturm.
Oder eher: das Kirchtürmchen. Aus dem Dach hatte es hervorgeragt und der kleinen Glocke Unterschlupf gewährt. Doch nun mussten beide weg: Das Landeskirchenamt befand, so erzählt es Pfarrer Sawatzki, dass die kleine Glocke nicht ausreichte. Ein komplettes Geläut musste her. Darauf aber war das Kirchtürmchen nicht ausgelegt. Es musste weg, sein Nachfolger ragt heute als Campanile 29 Meter hoch etwas abseits der Kirche in den Himmel.
Die Kirchenfenster fanden sich beim Entrümpeln wieder
Auch die Kirchenfenster wurden ein Opfer des Umbaus der 60er. Sie wurden herausgeschlagen und verschwanden für fast vier Jahrzehnte auf Nimmerwiedersehen. Erst um das Jahr 2000 herum „haben wir sie bei einer Entrümpelungsaktion in einer Kellerecke wiedergefunden“, erzählt Dirk Sawatzki. Seit dem erneuten Umbau im Jahr 2005 hängen sie, restauriert, an einer Seitenwand.
Überhaupt, der erneute Umbau. Das Pfarrerpaar Sawatzki ist damit sehr zufrieden. „Beim Umbau haben wir versucht, den ursprünglichen Charakter ein bisschen wiederherzustellen“, rekapituliert er. Nun zeigt die Kirche an manchen Stellen wieder leichte Rundungen. Wie einst, als sie noch ein Türmchen zierte.