Das Thema Fasten nahmen Muslime und Christen unter den HKM-Azubis jetzt zum Anlass, nach Gemeinsamkeiten zu suchen
Schon die alten Ägypter zelebrierten Fastenrituale. Heute gibt es in allen Weltreligionen vergleichbare Tradition, die sich mit dem Verzicht befassen, es ist also ein gemeinsamer Nenner. Während Christen vor Ostern auf mäßige Enthaltsamkeit setzen und Juden an Yom Kippur für 24 Stunden auf Nahrung verzichten, essen Moslems im Monat Ramadan erst nach Sonnenuntergang. „In den vergangenen Jahren separierte uns dieses Ritual in den Mittagspausen von den Kollegen“, erinnert sich Ünsal Baser, Auszubildender bei HKM.
Als stellvertretender Vorsitz der Jugend-Ausbildungs-Vertretung (JAV) organisierte er erstmalig ein gemeinsames Fastenbrechen mit nicht-muslimischen Kollegen in der Hüttenschänke. „Irgendwann kam in der Pause die Idee auf, dass wir Moslems nach der Arbeit zusammen ein Fastenbrechen-Festessen veranstalten. Also trafen wir uns schon in der Vergangenheit öfters. Nun möchten wir auch den nicht-muslimischen Kollegen unsere Traditionen vorstellen“, so Baºer. In die Hüttenschänke eingeladen waren die Auszubildenden aus allen Lehrjahren, die im Ramadan fasten. Jeder konnte einen Freund aus dem Betrieb mitbringen, dem diese Tradition neu war.
"Das nenne ich Integration, die nicht aufgezwungen wird"
Arbeitsdirektor Peter Gasse unterstützt das Projekt und ist begeistert. „Das nenne ich Integration, die nicht aufgezwungen wird, sondern von unten kommt“, lobt er Schützling Baºers Engagement. Laut eigenen Recherchen ist HKM landesweit der erste Betrieb, der eine solche Veranstaltung auf die Beine gestellt hat. „Ich hoffe, dass andere Firmen sich daran ein Beispiel nehmen“, sagt Gasse. Natürlich sollte der Abend nicht nur aus Essen bestehen, sondern auch Inhalt vorweisen. Zu einer Podiumsdiskussion eingeladen waren Vertreter aus Islam und Judentum sowie aus der evangelischen und katholischen Kirche. Zu einem Streitgespräch kam es erst gar nicht, die Parteien fanden schnell Konsens. Miyesser Ildem, des Kölner Instituts für interreligiöse Pädagogik und Didaktik (IPD) erläuterte den Sinn aus ihrer Sicht: „Wir verzichten und beweisen uns selbst, dass wir nicht abhängig von etwas sind. Dabei macht der Körper Inventur“.
Besonders bemerkenswert ist das Engagement von Azubi Vitalis Frank. Der angehende Elektroniker ist getaufter evangelischer Christ, aber weil in der Sowjetunion aufgewachsen, hatte er nie starke religiöse Bindungen. Als er zu dem Abend eingeladen wurde, beschloss er das Fasten nach muslimischen Regeln auszuprobieren. „Acht Tage lang habe ich erst nach Sonnenuntergang gegessen und getrunken. Ab 15 Uhr wird es richtig schwer und man denkt an nichts anderes mehr“, berichtet der Azubi, „aber auf einmal schmeckte das Essen viel besser und ich konnte schlafen wie ein Baby“. Er bewundert nun seine Kollegen, die trotz eingeschränkter Ernährung vollen Arbeitseinsatz leisten. Beim Büffet mit Dönerspieß, Pommes und türkischen Spezialitäten, das um genau 20.14 Uhr eröffnet wurde, bediente sich der ein oder andere gleich mehrmals. Irgendwo müssen die nötigen Kalorien ja herkommen.
Von den mehr als 250 Auszubildenden bei HKM haben ungefähr 30 Prozent einen Migrationshintergrund. Die Religionszugehörigkeit wird aber nicht in den Personalakten festgehalten.