Ein Spaziergang über das Werkgelände. 90 Jahre lang herrschte reger Betrieb an der Werkstättenstraße

Nur stolpernd gelangt man auf und über das große Gelände zwischen Werkstättenstraße und Masurenallee in Wedau. Ein Geisterwerk empfängt seine Besucher. Abgesehen von den Güterzügen auf der benachbarten Strecke herrscht große Stille. Nur Frühlingsgeräusche, Vogelzwitschern, untermalen sie. Die große Stadt, sie liegt ganz fern. Noch untrüglicher sind die Gerüche: Es riecht nach Öl und nach Kräutern, auch nach Muff.

Als hier 1914 die ersten 300 Beschäftigten anfingen, schien es, als würde auch das 20. Jahrhundert ein Jahrhundert der Eisenbahn werden. 94 Jahre später wissen wir: Es war das Jahrhundert des Autos. Es war aber auch das Jahrhundert von Kohle und Stahl. Letzteren verdankte das Ausbesserungswerk Wedau seine Existenz. Nirgendwo in Deutschland wurden so viele Güterwagen gebraucht wie im Ruhrgebiet. Dank Kohle und Stahl war die Nachfrage danach auch noch groß, als Stückgüter längst an den Lkw verloren waren.

Trotzdem musste Wedau schließen. Güterwagen aus Nordrhein-Westfalen werden heute in Paderborn ausgebessert. Auf dem Werkgelände plant die Stadt Bürogebäude. Konkret ist noch gar nichts.

Ganze Generationen von Bahnarbeitern und -beamten haben hier ihr Auskommen gefunden. Das war mit Freud' und Leid verbunden: Hier konnte man zum Vorarbeiter und zum Meister aufsteigen, konnte auf Lebenszeit verbeamtet werden. Hier konnte man sich aber auch Verletzungen zuziehen, die das Weiterkommen verbauten. Immer aber galt: Bei Bahn hatte man kein üppiges, aber ein sicheres Einkommen.

Über all das legen wuchernde Dornensträucher heute den Schleier der Vergangenheit. Die Lehrwerkstatt, in der fast jeder Beschäftigte seine Berufslaufbahn begann, sie ist vor lauter Wildwuchs kaum noch zu erreichen. Die drei Schiebebühnen, sie lassen erahnen, wieviel Volksvermögen hier im Laufe der Jahrzehnte investiert worden ist. Die riesige Richthalle: Sie macht deutlich, was es bedeutete, Tausende von Güterwagen jährlich zu reparieren. Abläufe immer wieder zu verbessern, um Kosten zu sparen und Zeit zu gewinnen, das ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts.

Was mag sich hier alles abgespielt haben? In welcher Geräuschkulisse musste hier gearbeitet werden? Wie stickig ging es im Sommer in der Richthalle zu? Gab es auch für Arbeiter eines Staatsbetriebs Leistungsdruck? Oder musste das Arbeiten unter der schützenden Hand von "Vater Staat" zwangsläufig unrentabel sein? Fragen über Fragen.

In einem der Büros liegt ein Schreibtisch auf dem Kopf. Umsturz hat es hier in der Tat gegeben, nach dem Ersten Weltkrieg. Die Bomben im Zweiten Weltkrieg unterbanden die Arbeit nur kurz. In weiteren 100 Jahren wird man wissen, ob die neue Manager-Bahn, die ohne das Werk Wedau auskommt, wirklich zukunftsweisend war. Das Auge des Sprayers in der alten Richthalle. Zeuge des Zweiten Weltkriegs: der Hochbunker. Von hier aus ging es hinaus in die Welt des Schienenstrangs. Geisterhalle: die Richthalle von innen. Ungewöhnlich: Schuppen mit rosa Fassade. Der schlichte Charme einer Gleisanlage. Die Vorderfront des AW mit dem Schlauchturm der Feuerwehr. Aufwändig gerundeter Prellbock aus den Anfangsjahren. Die riesige Richthalle. 1914 wurde das Ausbesserungswerk Duisburg-Wedau als Königliche Eisenbahn-Hauptwerkstätte eröffnet. In den 60er Jahren beschäftigte es mehr 2 000 Menschen. 1983 wurde erstmals über seine Schließung diskutiert. Ein langsamer Niedergang setzte ein. Ende 2004 schlossen die Werktore für immer