Bissingheim. .

Die Bissingheimer hatten sich schon auf das erste Weihnachtsfest in ihrer eigenen Kirche gefreut – doch dann kam das Bauamt. „Innerhalb von sechs Wochen wurden die Bauarbeiten fünfmal angehalten“, sagt Werner Wetzel, der ehrenamtliche Archivar von St. Raphael. Denn zum Einsatz kam 1931 ein hochmoderner Baustoff, mit dem das Amt noch keine Erfahrung hatte: Stahlbeton.

Hoch bis zur Decke in luftige Höhe ragen die Streben aus Stahlbeton in der Kirche heute empor. Auf historischen Fotos ist zu sehen: Erst wurden die Streben errichtet, später folgten Mauern und Fenster. Der Rohbau mutet so an „wie ein Schiff, in dem man sicher segelt“, findet Werner Heib – nur andersrum.

Auch Heib ist seit Jahren ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert. Die Kirche, durch die er heute führt, wurde zwar 1931 errichtet. Im Inneren stammt aber viel aus den 1950er Jahren.

Denn im Zweiten Weltkrieg ging, wie vielerorts, einiges zu Bruch. „Auf der Nordseite der Kirche ist im Garten eine Bombe niedergegangen“, sagt Heib. Sie drückte die Fenster raus, auch die Mauer wurde beschädigt. Bei der Reparatur packte auch der Pfarrer mit an: „Der Pfarrer hat sich einen grauen Kittel angezogen und mitgemacht.“

Einfach und schlicht ist die Kirche gehalten, bis zur Orgel hin: eine Klingenhegel-Orgel, ebenfalls aus den 50er Jahren. Sie prunkt nicht mit einem Prospekt: Die charakteristisch silbrigen Pfeifen ragen ohne jede Verzierung einfach in die Höhe. Bewusst habe sich die „arme Gemeinde“ für eine „arme Orgel“ entschieden, erklärt Heib.

Christus am Kreuz ist hier kein Leidender, sondern ein Hoffender

Umso stärker wirken die drei zentralen Schmuckstücke von St. Raphael: Ambo und Tabernakel mit ihren Silberbeschlägen, das Kreuz gar mit einem versilberten Korpus und einem vergoldeten Jesus. Alle drei stammen aus der Hand des Kölner Künstlers Hans Rheindorf.

Die vergoldete Figur des gekreuzigten Jesus versinnbildlicht nach Heib seine „glorreiche Auferstehung“. Überhaupt ist St. Raphael eine Kirche, die Optimismus ausstrahlt. Wo viele, gerade Katholische Kirchen, oft den Schmerz der Kreuzigung betonen, ist hier Christus am Kreuz kein Leidender, sondern ein Hoffender.

Das setzt sich im Kreuzweg fort: Die 14 Stationen, die traditionell mit der Grablegung Jesu enden, sind erweitert um ein großes Bild, eine separate 15. Station; das Motiv: die Auferstehung. Eine Fensterleiste über dem Kreuzweg zeigt in buntem Glas zwar Dornen, doch sprießen dazwischen frische, grüne Triebe.

Der namengebende St. Raphael zeigt sich den Gottesdienstbesuchern am Weihwasserbecken als Begleiter des Tobias; aus einem großen, dreigeteilten Fenster blickt er auf die Gemeinde. Passend findet den Namen St. Raphael Werner Wetzel: St. Raphael ist Patron der Reisenden, und zur Bauzeit der Kirche „bestand die Gemeinde zu 90 Prozent aus Bahnbediensteten“ – also Menschen, deren Beruf das Reisen war. Noch heute gilt das für viele Bissingheimer. Ihre Kirche macht der Namenspatron einzigartig: ein weiteres Gotteshaus mit dem Namen St. Raphael gibt es in Duisburg nicht. Stadtweit komplettiert St. Raphael die Trilogie der Erzengel: In Wanheimerort steht die Kirche St. Michael, in Neudorf läutet St. Gabriel zum Gebet.

Das glückliche Ende des Jahres 1931 gab dem Optimismus der Kirche übrigens recht: Zum Weihnachtsgottesdienst läuteten im neuen Gotteshaus die Glocken – die kleinere davon mit dem Namen St. Raphael.