Jörg Seidel ist neuer Leiter des Jugendzentrums in Neuenkamp. Er kann zwar hart durchgreifen, glaubt aber, dass er das in seinem neuen Job gar nicht muss.

Neuenkamp. Ein Grüppchen Kinder zischt mit Geschrei durch den mintgrünen Flur, biegt an der Tür rechts ab und startet einen Wettlauf rund um den Billardtisch. „Hey!“ Das tiefe, kräftige Organ setzt sich selbst gegen den vielstimmigen Kinderkreisch-Chor durch. „Hier wird nicht gerannt!“ Bestimmt, aber nicht böse klingt er, wenn er die Jugendlichen im Zaum hält: Jörg Seidel ist der neue Einrichtungsleiter des Jugendzentrums „Die Insel“ in Neuenkamp. Gut ein halbes Jahr war es geschlossen, seit rund einer Woche ist die Einrichtung jetzt wieder geöffnet.

Unterstützung von vielen Seiten

Seidels Vorgänger hatte sich bei einem Unfall so schwer verletzt, dass er als „Insel“-Leiter nicht zurückkehren konnte. „Wir sind unglaublich froh, dass wir die Stelle neue besetzen konnten“, betont Ulrike Färber vom Jugendamt. Das sei keine Selbstverständlichkeit, erläutert sie. „Es ist unüblich, dass die Stelle extern neu besetzt wird, aber wir haben von vielen Seiten dafür Unterstützung bekommen.“

Große Eröffnungsparty im Sommer

„Die Insel“ an der Paul-Rücker-Straße ist für Kinder von sechs bis zwölf Jahren von 14.30 bis 16 Uhr geöffnet, für Jugendliche von 13 bis 19 Jahren von 17 bis 20 Uhr.

Im Sommer ist ein großes Eröffnungsfest geplant. „Außerdem wollen wir wieder Lan-Partys machen“, sagt Jörg Seidel. Ausflüge in Klettergärten oder zu Abenteuerspielplätzen sollen folgen.

Und so ist Seidel offiziell seit dem 1. April für die Einrichtung im Herzen Neuenkamps verantwortlich. Rund 1000 Kinder und Jugendliche gibt es hier. 160 Jugendliche von ihnen, wie Diyar und Sabjon, zählen zum Stamm der Insel-Besucher. Hier können sie nicht nur spielen und toben, es wird auch gemeinsam gekocht, gebastelt und getanzt. „Außerdem haben wir einen Computerraum. Und ein Tonstudio ist auch in Planung.“ Jörg Seidel zeigt gerne sein neues, rund 400 Quadratmeter großes Areal.

„Gut, dass die Insel wieder geöffnet hat“, findet Diyar. Er sitzt neben seinem Kumpel auf der Treppe im Eingangsbereich. Die beiden Jungs sind zu früh da, denn für Jugendliche gelten die Öffnungszeiten erst ab 17 Uhr. Kumpel Sabjon pflichtet Diyar bei: „Sonst kann man hier nicht so viel machen. Fußballspielen noch, aber das war’s.“ Die 13- und 14-Jährigen haben sich zu einer Partie Billard verabredet. „Sonst zocken wir aber auch mal Playstation.“

Die wird gerade allerdings noch von ein paar Mädels belegt, die bei einem Tanzspiel zu YMCA ihre Hüften schwingen und die Arme fliegen lassen. „Die regeln das hier alle selber. Es gibt Listen, da tragen sich die Kinder ein. Streit gibt’s bisher eigentlich nicht.“

Seidel stemmt die kräftigen Arme in die Hüften. Unter dem schwarzen T-Shirt blitzt ein Tattoo hervor. „Hey! Was habe ich zum Thema Rennen gesagt?!“ Der studierte Sozialarbeiter weiß, wie er Regeln durchsetzt. „Vorher habe ich im Blauen Haus in Hochfeld gearbeitet. Da musste ich noch deutlich mehr Sheriff spielen.“ Der 42-Jährige atmet tief ein, lässt ein souveränes Lächeln durch seinen grau melierten Bart blitzen. Einen Cowboy-Hut trägt er natürlich nicht, und auch keine Lederstiefel. Dafür aber dunkle Dockers mit Flammenmuster. Auf die Jugendlichen wirkt er wie ein großer Bruder, der alles im Griff hat. Für Eltern, umliegende Kooperationspartner und die Stadt, ist er Ansprechpartner und Koordinator.

Auch Flüchtlingskinder in der Insel

Ihm zur Seite steht ab dem 1. Mai auch Katharina Torka. Die Erzieherin hat bereits bei den stadtteilbekannten Lan-Partys – eine Art Pyjamaparty für Computerspiele-Fans – in die Jugendarbeit am Neuenkamp hineingeschnuppert. „Besonders interessant wird es für uns, wenn hier in der Umgebung noch mehr Flüchtlingsfamilien wohnen“, glaubt die 28-Jährige. „Es ist klar, dass hier viele Jugendliche wohnen, für die das Angebot der Insel sehr wichtig ist. Integration klappt so am besten“, ergänzt Ulrike Färber. Aber auch diese Herausforderung werden Katharina Torka und Sheriff Jörg Seidel meistern, ist sie sich sicher.