In der Berufspraxisstufe bereitet die Buchholzer Waldschule Jugendliche auf den Einstieg in das Erwerbsleben vor

In der zweiten Woche besuchen Kevin, Jasmin und ihre Mitschüler von der Buchholzer Waldschule nun schon die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) am Kalkweg. Es ist ein kurzer Weg, der sie von der Schule dorthin führt, geographisch. Und dennoch bedeutet er für einen Großteil der Schüler mit einer Behinderung einen großen Schritt – aus der Berufsorientierungsstufe in das Berufsleben.

Nicht einfach gestaltet es sich angesichts der großen Bandbreite an Behinderungen, den richtigen Arbeitsplatz für die Schüler auszuwählen. Der ihren Fähigkeiten entspricht, sie fordert, aber nicht überfordert. Zuständig hierfür ist Renate Lambers, die als Sozialarbeiterin im Begleitenden Dienst der Werkstatt arbeitet.

Für Jasmin schließlich hat sie einen Platz in der Spielzeugmontage gefunden. In einem Team, das Miniatur-Auto- Tuning-Center in Kartons verpackt, ist Jasmin nun zuständig für das richtige Abpacken. Ein Beutel mit einem leuchtgelben Auto und einer mit dutzenden Ersatzteilen wandert zwischen die roten Aufbauten des Spielzeugs. Für die Schülerin eine Aufgabe, die sie fordert. Dimensionen gilt es zu bedenken, wenn die Beutel zwischen das Gestänge gelegt werden, vergessen darf sie nichts – zu viel einpacken auch nicht.

„Es ist schon anstrengend”, sagt Jasmin, „aber es macht auch Spaß”, und strahlt dabei.Die Kollegen seien nett, die Arbeit gut. In der nächsten Halle sitzt Klassenkamerad Kevin am Tisch. Während einer seine rechte Hand zur Montage nicht benutzen kann, geht ihm mit der linken die Arbeit leicht von der Hand. An einer Art Miniatur-Fließband ist er eingesetzt, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Behinderten. An Position eins werden die Dübel in ein Gestell gefädelt, weiter und weiter geschoben, die Zwischenstation ist zum Einsetzen der Komponenten gedacht und Kevin schließlich fügt alles mit einer Kunststoffschraube zusammen.

Während wir über seine Vorstellungen von einer beruflichen Zukunft reden, gerät die Arbeit ins Stocken. Ihm scheint zu gefallen, dass es hier auf ihn ankommt, dass er ein Teil des Ganzen ist. Vorerfahrungen konnte der junge Mann bereits in seinem ersten Praktikum sammeln. Und dennoch plant er ein weiteres Schulbesuchsjahr. „Auf Antrag kann das bewilligt werden”, sagt der betreuende Sonderschul-Lehrer Reinhard Weinem. Nicht immer falle es den Schülern leicht, den Schritt in die Werkstatt zu tun, steht da- mit die berufliche Laufbahn doch unweigerlich fest.

„Aber die meisten unserer Schüler bekommen dort zumindest eine Stelle”, sagt Weinem. Sei es noch vor Jahren kein Problem gewesen, seine Schützlinge auch außerhalb von Werkstätten in Praktika zu vermitteln – auf dem freien Arbeitsmarkt, dies bestätigt auch seine Kollegin Birgit Boch, habe kaum einer eine Chance. Einen qualifizierten Schulabschluss nämlich können die Jugendlichen an der Waldschule nicht machen: „Wir schreiben ein Abschlusszeugnis”, sagt Weinem, darauf seien keine Noten vermerkt, sondern die Fähigkeiten der Schüler werden in Textform dargestellt, „außerdem umschreiben wir Verhaltensdefizite und - kompetenzen.”

380 Menschen mit einer Behinderung beschäftigt die WfbM derzeit am Kalkweg – darunter viele ehemalige Schüler von Reinhard Weinem, die durch die Arbeitsangebote in der Werkstatt eine Perspektive haben. Was auch für die Gruppe der Schwerstmehrfachbehinderten gilt, die in einem angrenzenden Pavillon untergebracht sind. In Rollstühlen sitzen die Menschen, bewegen sich mit Geh-Gestellen fort – und dennoch gibt es einen passenden Arbeitsplatz für sie. „Man muss das gut ausloten und beobachten”, sagt Renate Lambers, „das ist individuell verschieden.” Wie die Menschen, die sie betreut.