Huckingen. . Der MGV Erholung 1866 wird 150. Einst schummelten Bewerber, um vor dem 18. Geburtstag aufgenommen zu werden.

1866. Da war Wilhelm I. König von Preußen, das Telefon noch für weitere zehn Jahre nicht erfunden, und der Männergesangsverein Erholung wurde gegründet. Zwei Weltkriege hat der Chor überdauert. Das 150-jährige Jubiläum aber, das er in diesem Jahr begeht – es könnte die Coda seines Bestehens einleiten.

Dabei hatte alles so beschwingt begonnen. Kurz nach seiner Gründung kaufte der Verein sogar ein eigenes Piano, für 180 Taler. So verzeichnet es feinsäuberlich in Sütterlin das Protokollbuch von 1871. Mollklänge schrieb dem Chor erst der Ausbruch des Ersten Weltkriegs in die Partitur seiner Geschichte: 28 Sänger und 46 passive Mitglieder wurden einberufen, sieben „haben den Freundeskreis nicht wiedergesehen“, schrieb Bernd Braun in der Festschrift zum 140-jährigen Bestehen. Der Krieg kostete die Überlebenden auch das erste große Jubiläum ihres Vereins: Die Feier zum 50. Geburtstag 1916 konnten sie erst zehn Jahre später nachholen. Nie wieder aufgetaucht ist die ursprüngliche Fahne des MGV. „Sie ist im Ersten Weltkrieg abhanden gekommen“, erzählt Norbert Groeters, seit 1993 1. Vorsitzender des Vereins. „Die Huckinger haben damals solche Sachen eingemauert, damit man sie einst wiederfindet.“ Das Versteck war zu gut gewählt; 1949 übernahm der Chor die Fahne des MGV Frohsinn Huckingen, der damals in der Erholung aufging.

Gassenhauer als Zukunftsmusik

Unter dieser Flagge tritt der Chor noch heute auf, wenn er sein Repertoire erklingen lässt. Das umfasst laut Groeters „alles. Von Schlagern über Oper, Operette bis hin zu Musical.“ Da bildet Udo Lindenbergs „Mit 66 Jahren fängt das Leben an“ den Auftakt zu „Musik ist Trumpf“, da folgt auf den Cancan aus „Orpheus in der Unterwelt“ ein Song aus „Les Misérables“.

Udo Jürgens’ „Mit 66 Jahren“ gehört zum Repertoire der Sänger: Es reicht von Schlagern über Opern-Arien bis hin zu Musical-Songs.
Udo Jürgens’ „Mit 66 Jahren“ gehört zum Repertoire der Sänger: Es reicht von Schlagern über Opern-Arien bis hin zu Musical-Songs. © FUNKE Foto Services

Damit aus den Gassenhauern vergangener Jahrzehnte auch Zukunftsmusik entstehen kann, ging der MGV Erholung im Jahr 2010 eine Chorgemeinschaft ein: Zusammen mit dem MGV Walsum-Aldenrade bringen es die Männer auf 60 Stimmen; alleine kommt jeder Chor nur auf rund 30 aktive Sänger. Vor gut zehn Jahren stimmten alleine in Huckingen noch 44 Kehlen ihre Lieder an.

Hier gibt’s Karten

Anlässlich von anderthalb Jahrhunderten Männergesang lässt der MGV Erholung 1866 Huckingen bei einem Jubiläumskonzert die Noten tanzen: Am Sonntag, 21. Februar, im Steinhof, Düsseldorfer Landstraße 347. Beginn des Konzerts mit Gästen der Deutschen Oper am Rhein ist um 17 Uhr, Einlass ab 16.15. Uhr. Karten kosten zwölf Euro.

Die Vorverkaufsstellen: Geschäftsstelle des Steinhofs, Gabis Blumenboutique im Edeka-Center, Euronics Haas, Juwelier Josko und alle Sänger.

Mit den Männern verstummen auch ihre Chöre. „Früher hatten wir in Huckingen vier Chöre: Philomena, Beethoven, Frohsinn, Erholung“, erinnert sich Groeters. Geblieben ist als einziger die Erholung. „Fünf Jahre klappt’s noch“, blickt der Vorsitzende in eine düstere, eine klanglose Zukunft. Zwar haben die Sänger mit Schulprojekten oder einem Chor für Rock, Pop und Gospel versucht, junge Stimmen an sich zu binden. Ohne Erfolg: Das Durchschnittsalter seiner Sänger schätzt Groeters auf 75 Jahre. Die Nachwuchsprobleme sind so groß, dass Groeters das Wort neu definiert: „Nachwuchs wäre für uns ab 60 Jahren“, scherzt er mit Galgenhumor. Schon in der Festschrift vor zehn Jahren schrieb Bernd Braun: „Mit uns alten Männern zu singen, wirkt heute wohl nicht so anziehend, wie vor 50 Jahren, als manche Bewerber etwas schummelten, um schon vor dem achtzehnten Lebensjahr aufgenommen zu werden.“

Nach dem Krieg: Lizenz zum Singen

Braun schreibt hier von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Chor wie schon nach dem Ersten Weltkrieg um gefallene Sangesbrüder trauerte: Fünf waren diesmal nicht von der Front zurückgekehrt. Die beste Nachricht der Nachkriegszeit klingt aus heutiger Sicht kurios: Der MGV war der erste Gesangsverein Duisburgs, der nach Kriegsende im Herbst 1945 von der englischen Besatzungsbehörde in Benrath die Lizenz zum Singen bekam. Deren Bedeutung war unter den Besatzungsmächten nicht zu unterschätzen, das hatte der Gesangsverein während des Ersten Weltkriegs erfahren müssen: Der damalige 1. Vorsitzende war des französischen Besatzungsgebietes verwiesen worden, nachdem er gegen eine solche Lizenz verstoßen hatte.

Norbert Groeters ist seit 1993 der erste Vorsitzende des Gesangsvereins. Die Zukunft des Vereins sieht er pessimistisch.
Norbert Groeters ist seit 1993 der erste Vorsitzende des Gesangsvereins. Die Zukunft des Vereins sieht er pessimistisch. © FUNKE Foto Services

Eine lange und bewegte Geschichte, auf die der MGV Erholung Frohsinn in diesem Jahr zurückblickt. Fast die Geschichte des Rekordhalters der Stadt: „Eigentlich ist der MGV Erholung der älteste Chor in Duisburg“, sagt Groeters. Wenn da nicht diese Kleinigkeit wäre: Der heutige MGV Sängerkreis Buchholz fusionierte mit dem MGV Liederkranz Duisburg-Hochfeld – und übernahm dessen Gründungsjahr, 1858. Also eben nur: eigentlich.

Ein ungewöhnlicher Appell

Nach einem Auftritt im Mailänder Dom, einem Ständchen in Verona, nach ungezählten Auftritten in Duisburg probt der Chor auch heute noch jede Woche, lassen die Sänger Schlager, Arien, Musical-Hits erklingen. Gelegenheit genug für interessierte Sänger, miteinzustimmen in einen der ältesten Chöre Duisburgs. Gelegenheit genug für Konzertbesucherinnen wahr zu machen, was Groeters ihnen gerne mitgibt auf den Weg nach Hause: „Schicken Sie Ihren Mann her.“