Der Süden mag es bunt. Seit die Zechen die Häuser nicht mehr grau machen, erlebt das Ruhrgebiet eine neue Farbigkeit
Die Farben des Südens: jetzt mal ehrlich, denken Sie da nicht sofort an Terrakotta-Töne? Und was ist mit dem Duisburger Süden, was mit den Farben des Reviers. Die Zechen sind in der Versenkung verschwunden. Mit ihnen jene graue Zeit, in der frisch gewaschene weiße Wäsche auf der Leine im Freien keine Chance hatte, dem Grauschleier zu entgehen. Und Hausfassaden ließ man am besten gleich grau streichen, sonst setzte die Zeit unweigerlich ihre eigenen Farbakzente. Das Revier, das hässliche Entlein der Nation.
Trostlose Tristesse, auch dafür steht Grau in der Farbpsychologie. Und jetzt? Neues Image - buntes Treiben? So ist das dann auch wieder nicht. Jedenfalls nicht so ganz. Denn gerade, wenn Grau keine Zwangsverpflichtung mehr ist, darf es wieder sein. Die neue Farb-Freiheit, ob nun in grau, bunt, manchmal vielleicht sogar grauenhaft. Die Architektin Bibiana Grosser und ihr Kollege Dirk Druschke, die ihr Büro in Buchholz haben, gestalteten Sparkassenfilialen in Huckingen und Buchholz etwa in grauen Asphaltlava- Natursteinen mit roten Akzenten. Der Naturstein „Grau wirkt seriös, steht für Beständigkeit und Zuverlässigkeit”, sagt Bibiana Grosser.
Rote Akzente sind in diesem Fall akzeptabel. Das komplette Gebäude in dieser Farbe zu gestalten, wäre nicht möglich gewesen. Bibiana Grosser: „Rot hätte so etwas Lautes gemacht, so einen Zeitgeist vermuten lassen.” Bei einem komplett roten Gebäude käme ihr eine Mucki-Bude in den Sinn. Sag es durch die Farbe, könnte man also getrost behaupten. „Mit Farbe kannman viel bewirken”, erklärt die Architektin. Und Dirk Druschke verdeutlicht: „Bei Farbe ist das Verhältnis von Aufwand und Kosten zum Nutzen relativ gering.” Farbe habe eine stark suggestive Wirkung. Mit einer ansprechend farblich gestalteten Siedlung identifiziere sich der Mensch eher. „Da wird nicht so viel geschmiert”, hat Grosser erfahren.
Aber wie ist das nun mit der farblichen Identität des Reviers, des Duisburger Südens? Bayern hat seine Farben, der Norden des Landes auch. Aber hier, hier ist es doch schon so lange multi-kulti. Aber auch hier gibt es etwas, Form und Farbe, die spezifisch sind: die Zechensiedlungen. Die Siedlung am Marienburger Ufer in Wedau oder in Bissingheim gefallen den beiden Architekten. Sie befürworten deren Einheitlichkeit durch Architektur und Farbe.
Denn mit Farbe wird nicht nur vieles gut, „man kann auch ganz viel falsch machen”, so Grosser.UndauchwennDuisburg seinen Süden hat, mediterrane Farben gehörten hier eher nicht hin, besonders weil auch entsprechende Gebäude fehlten. „Und wenn ich solche Töne wählte, würde ich sie eher anders nennen”, sagt Grosser.
Sie bedauert auch, dass gerade dieses spezifische Siedlungsbild durch zu viel Individualität der Häuser zerstört würde. Individualismus und Einzelkämpfertum weben so manchmal unschöne architektonische Flickendecken. Weniger wäre in diesem Fall wahrscheinlich mehr. Und wie ist das nun mit dem neuen Selbstverständnis der Ruhrpottbürger und dem Image des Reviers? Grosser: „Für Farbe brauche ich als Einzelner Mut und Selbstbewusstsein.” Ein farbigesRevier stünde sicherlich für Bekennertum. Druschke: „Damit geht man gegen das Image der grauen Maus an.”
Allerdings, das sehen die beiden Architekten eher kritisch: Durch die Internationalität der Architekten, die Hand an die Stadt anlegen, wird Multi-Kulti in der Stadt quasi in Stein gemeißelt. Die eine Identität gibt es dann auch architektonisch und farblich nicht mehr.Die Welt baut sich so Stein für Stein immer bunter.