Duisburg-Rheinhausen. Zwei von 17 Gedenkplatten in Rheinhausen werden vermisst. Die Stadt wird sie ersetzen. Derweil hat die CDU die übrigen Stolpersteine geputzt.
Nichts mehr zu sehen. Vor der graublauen Haustür an der Kronprinzenstraße 104 endet der Blick auf den Pflastersteinen des Gehwegs mit einem Fragezeichen. Hier müsste eigentlich die Messingplatte liegen, die an Moritz Rothschild erinnert. Ein Friemersheimer, der Arbeiter in der Friedrich-Alfred-Hütte war – bis ihn die Nazis verschleppten und ermordeten. Anders als sein Bruder Gustav hatte er es nicht mehr geschafft, rechtzeitig zu fliehen. Ein Stolperstein sollte eigentlich an das Schicksal des Mannes erinnern, der 1872 in Friemersheim geboren wurde.
CDU-Ratsherr Klaus Mönnicks schüttelt den Kopf. Er ist fassungslos, dass der bronzefarbene Stein verschwunden ist, den der Künstler Gunter Demnig hier in Rheinhausen verlegt hat. Man sieht, dass die Pflastersteine auf dem Bürgersteig unterschiedlich sind. Beim Austausch scheint der Erinnerungsstein, der den Namen von Moritz Rothschild trug, verloren gegangen zu sein.
Erinnerung an Philipp Wallach
Das ist nicht nur der Rheinhauser CDU aufgefallen, die sich Ende Januar zum 75. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager auf den Weg zu den Stolpersteinen in Rheinhausen gemacht hatte. Auch Martin Dietzsch, Archivar des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS), hatte im Jahr 2019 bei der Recherche für seine Broschüre „300 Stolpersteine in Duisburg“ entdeckt, dass im gesamten Stadtgebiet zehn Stolpersteine verschwunden sind – zwei davon waren in Rheinhausen.Hier gibt es mehr Artikel aus dem Duisburger Westen
Neben dem Stein von Moritz Rothschild fehlt im Duisburger Westen auch die Erinnerung an Philipp Wallach, der in der Annastraße 2 in Hochemmerich gelebt hat. Auch hier wurde der Bürgersteig offenbar neu gepflastert. Nichts erinnert mehr daran, dass Philipp Wallach hier mit seiner Frau Else eine Verkaufsstelle für Textilien besaß, die Firma Wallach & Co. Das Geschäft wurde zuerst boykottiert und dann in der Reichspogromnacht zerstört. Das Ehepaar flüchtete mit seinen drei Söhnen nach Aachen, von wo Philipp Wallach nach Auschwitz deportiert wurde. Dort starb er am 8. August 1943.
„Solche Schicksale dürfen doch nicht in Vergessenheit geraten“, beschreibt Klaus Mönnicks sein Entsetzen darüber, dass die Stolpersteine nicht mehr da sind. „Der CDU-Ortsverband wird nicht ruhen, bis die Steine ersetzt werden.“ Die Kosten dafür wolle die Partei notfalls selber tragen.
Das wird nicht nötig sein, denn die Stadt hat bereits reagiert. „Die Stolpersteine haben für die Stadt Duisburg eine hohe Symbolkraft und deshalb werden wir selbstverständlich die verloren gegangen Steine ersetzen“, kündigt Pressesprecher Sebastian Hiedels an. „Gemeinsam mit den Wirtschaftsbetrieben, dem Jugendring und dem Künstler Gunter Demnig arbeiten wir derzeit an der Umsetzung.“
Wie die Steine verschwinden konnten, das ist im Rathaus nicht nachvollziehbar. Die Vermutung liegt auch hier nahe, dass es bei Bauarbeiten passiert ist. „Natürlich sollte eine Baumaßnahme immer mit dem Wiedereinsetzen von vorhandenen Stolpersteinen abgeschlossen werden“, sagt Hiedels, der betont, dass die Wirtschaftsbetriebe an diesen Standorten nicht beteiligt waren. Sein Fazit für die Zukunft: „Wir werden noch stärker darauf achten, dass sich der Verlust von Stolpersteinen nicht wiederholt.“
Nazis im Polizeipräsidium
Die CDU Rheinhausen hat sich derweil auf andere Art und Weise für die Stolpersteine eingesetzt. Die Politiker haben die noch vorhandenen 15 Steine im Bezirk Rheinhausen geputzt, so dass man wieder mit dem Blick an ihnen hängen bleibt. Besonders gut funktioniert das vor dem Bezirksrathaus am Körnerplatz, denn hier liegen gleich sechs Gedenksteine für Menschen, die an anderen Orten in Rheinhausen gelebt haben.
Die Braut erwartete ein Kind
Auch den Stolperstein für Alfred Hitz am Grabenacker 122 in Bergheim hat die CDU wieder sichtbarer gemacht. Der Widerstandskämpfer hatte einst die illegale Parteiarbeit der SPD mitorganisiert. Auf der Zeche Mevissen in Rheinhausen hat Alfred Hitz als Bergmann gearbeitet. Aus politischer Überzeugung übernahm er Kurierfahrten zur niederländischen Grenze und verteilte dort Aufklärungsmaterial gegen das Nazi-Regime. Am 4. Juli 1935 erhält seine Frau Christine die Todesnachricht durch die Polizei. Ihr Mann ist durch die Nationalsozialisten im Duisburger Polizeipräsidium ermordet worden. Erst vierzehn Tage waren Christine und Alfred Hitz zu diesem Zeitpunkt verheiratet. Die frisch vermählte Braut erwartete ein Kind. Sie gab ihrem Sohn, der seinen Vater nie kennenlernen durfte, den Namen Alfred.
>>> Buch: Dreihundert Stolpersteine in Duisburg – eine Bestandsaufnahme
Die Broschüre von Martin Dietzsch „Dreihundert Stolpersteine in Duisburg. Eine Bestandsaufnahme im November 2019“ kann kostenlos in der Online-Bibliothek des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung eingesehen werden. Das Werk ist 338 Seiten stark und bietet erstmals eine ausführliche und vollständige Liste aller Duisburger Steine mit Verlegungsort, Fotos des jeweiligen Steines und dessen Umgebung, Verlegungsdatum, sowie Kurztexten zu den Biografien, die der Literatur und Zeitungsartikeln entnommen sind. Link zum Buch in der Online-Bibliothek: http://www.diss-duisburg.de/online-bibliothek/bucher-im-volltext/broschuere-ueber-die-duisburger-stolpersteine/