Hamborn. Mit den drei schweren Luftangriffen am 14./15.Oktober 1944 erreichte der Zweite Weltkrieg in Duisburg seinen Höhepunkt. Wie durch ein Wunder blieb das St.-Johannes-Hospital unversehrt

In ein flammendes Inferno verwandelten sich auch weite Teile des Duisburger Nordens, als innerhalb von 18 Stunden am 14. und 15. Oktober 1944 in drei Wellen der schwerste Luftangriff über Duisburg während des Zweiten Weltkriegs niederging. Daran erinnert jetzt Heimatforscher Hans-Joachim Meyer.

„Vielen Überlebenden ist er bis heute lebhaft in Erinnerung“, sagt Meyer. Von 1940 an hatten die Alliierten die Stahlschmiede des Deutschen Reichs aus der Luft heimgesucht, ab 1943 in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß.

Und so näherte sich, als am 14. Oktober, einem Samstag, ge­gen 8.30 Uhr wieder mal Luftalarm gegeben wurde, eine Armada von 1000 Flugzeugen der britischen Royal Air Force. „Es war ein angenehmer Herbsttag, wolkig, aber trocken“, so der Heimatforscher.

Die Menschen eilten in die nächstgelegenen Schutzräume, als die gewaltige Luftstreitmacht gegen 8.45 Uhr das Stadtgebiet erreichte, um ihre todbringende Bombenlast über Stadtmitte und dem Norden abzuwerfen.

Die Sirenen fielen aus

„Bis 9.15 Uhr, etwa eine halbe Stunde“, berichtet Meyer, „dauerte der Angriff.“ Auch Hamborn und Marxloh wurden schwer getroffen. Meyer weiter: „Besonders zwischen August-Thyssen-Hütte und Weseler Straße standen viele Häuser in Flammen.“ Starke Rauchschwaden lagen auch über Hamborn. „Wie durch ein Wunder blieb das St.-Johannes-Hospital unbeschädigt.“ Helfer von Sicherheits-Hilfsdienst (SHD), Feuerwehr und Rotem Kreuz hatten Großalarm. Hans-Joachim Meyer: „Die Toten wurden auf dem Schulhof hinter der Abteikirche zusammengetragen.“

Schwerwiegende Folge dieser ersten Angriffswelle war, dass zahlreiche Luftschutzsirenen ausgefallen waren. Meyer weiter: „Die Hoffnung, erst einmal für längerer Zeit Ruhe zu haben, trog.“ Bereits in der Nacht auf Sonntag, 15. Oktober, erfolgte, diesmal ohne Vorwarnung, um 1.30 Uhr die zweite Angriffswelle und um 4 Uhr früh die dritte, jeweils durch 500 Flugzeuge.

Es handelte sich nach Angaben von Meyer um flächenhafte Bombardements. Sie sollten der Zivilbevölkerung demonstrieren, wie überlegen die Alliierten waren. „Unbeschreibliches Leid brach über die Menschen herein. Viele verloren ihr Hab und Gut.“ Wo nur Dach und Obergeschosse zerstört waren, kehrten die Menschen in die darunter liegenden Wohnungen zurück, wo aber bald Regenwasser eindrang.

Erst nach dieser dritten Welle, es waren die Luftangriffe 240 bis 242, kehrte bis zum 2. November eine kurze Atempause für die kriegsmüde Bevölkerung ein.

Nur das Kreuz an der Barbarakirche stand noch aufrecht

Mechthild Wenzel, geb. Elspas, damals 15 Jahre alt, erinnert sich an die Luftangriffe vom 14./15. Oktober. Sie lebt heute in Moers:

„Am Samstagmorgen ging ich zur Kirche. Die Notkirche St. Barbara hatte ein gewölbtes Dach aus leichtem Baumaterial. Der Gottesdienst begann um 8 Uhr. Es hatten sich zwei Dutzend Frauen und Mädchen versammelt. Als die Messe gerade zu Ende war, kam Voralarm. Pastor Hülsmann ist eilig mit dem goldenen Kelch in der Sakristei verschwunden. Wir Kirchgänger gingen in den Hof.

Da kam auch schon Vollalarm und wir gingen rasch in den Luftschutzkeller unter der ehemaligen Gaststätte Kreyenpoth. Un­sere Grup­pe blieb zusammen. Der Pastor kam nach. Da fielen auch schon die ersten Bomben, Schlag auf Schlag, eine Detonation nach der anderen. Das war Todesangst ganz nah, eine halbe Stunde lang.

Der Pastor ging auf und ab und hat mit uns den Rosenkranz gebetet. Das hat uns beruhigt. Wenn es ganz schlimm wurde, haben die Leute im Ne­benraum geschrien. Als alles still geworden war, warteten wir auf Entwarnung. Es kam aber keine, weil die Sirenen zerstört waren.

Über Marxloh stand eine Feuerwand

Vorsichtig gingen wir nach draußen. Da kamen uns auch schon Leute entgegen. Sie weinten und waren verzweifelt. Sie hatten alles verloren. Schlimm war, dass die Kirche, in der wir eben noch gebetet hatten, nicht mehr stand. Einzig der Giebel im Chor stand noch und daran hing das Kreuz von Dindendahl, einem Künstler aus Marienthal. Es war eigentlich für die Kirche immer zu groß. Dass es jetzt aus dem Trümmerfeld ragte, war erschütternd.

Über Marxloh stand eine Feuerwand. Sie wurde von einem starken Sturm Richtung Jubiläumshain getrieben. Wir beschlossen, in Gruppen nach Hause zu gehen. Die Warbruckschule stand noch. Auch die Emscherbrücke war heil geblieben. Die Häuser vor uns konnten wir vor lauter Rauch nicht sehen. Erst als wir ganz dicht davor standen, sahen wir: sie standen noch.“