Neumühl.. Hatice Güler und Petra Kurek bieten Mädchen im Mabilda-Treff in Neumühl einen sicheren Ort, um über Probleme zu reden und Lösungen zu finden. Ihre jugendlichen Besucherinnen haben teils kleine, teils massive Probleme: Vom Schulproblem über Gewalt bis zur Zwangsehe.
Glücklich kehrt Hatice Güler mit frischem Kaffee an den Tisch zurück: „Malala Yousafzai hat den Friedensnobelpreis bekommen! Was für eine Freude!“
Die Freude über die hohe Auszeichnung für die junge pakistanische Muslima, die sich unter größter Gefahr für Mädchenrechte einsetzt, teilt Hatice Güler mit ihrer Kollegin Petra Kurek. Beide sind die Macherinnen des Neumühler Mädchen-Treffs Mabilda, in dem Mädchen ab 6 Jahren offen und geschützt über Probleme, Hoffnungen und Ängste sprechen können.
Freilich, sagt Petra Kurek, sei die Situation von Mädchen im Duisburger Norden nicht ansatzweise vergleichbar mit dem Schrecken, den junge Frauen derzeit in Syrien oder Nigeria unter dem Einfluss radikaler Gruppen wie dem Islamischen Staat oder Boko Haram erleiden müssten. Dennoch: „Gerade im Duisburger Norden gibt es viele Mädchen, die von Hause aus sehr schlechte Grundvoraussetzungen haben, um Zugang zu Bildung und dem Arbeitsleben zu bekommen.“
Dies treffe bei weitem nicht nur auf muslimische Mädchen zu: „Die Probleme, mit denen wir hier konfrontiert sind, sind viel komplexer“, sagt Kurek. Sie fingen an im Elternhaus, wo oft die nötige Förderung und die Vermittlung von Selbstbewusstsein fehle, und gingen weiter, wenn es um abwechslungsreiche Angebote in den Stadtteilen geht.
„Anders als Jungs, die da auch schon mal selbst ausbrechen, sind Mädchen in ihrem Umfeld im Duisburger Norden sehr stark verwurzelt“, sagt Kurek, „für viele Mädchen ist schon die „Reise“ aus Neumühl in die Innenstadt ein riesiger Schritt, den sie niemals alleine unternehmen würden.“ Deshalb, sagt Hatice Güler, „reisen wir so viel wie möglich mit unseren Mädchen. Damit sie andere Städte und Länder kennenlernen.“
Dass gerade vor diesem Hintergrund gleich vier Stadtteilbibliotheken im Duisburger Norden geschlossen werden sollen, halten Petra Kurek und Hatice Güler für eine Katastrophe: „Auch das Lesen öffnet für viele Mädchen große Türen in die Welt. Dass war für mich früher auch so“, sagt Petra Kurek. Sie sei entsetzt, seitdem sie von den drastischen kommunalen Sparplänen gehört habe.
„Zu uns kommen viele Mädchen aus dem Duisburger Norden, die von ihren Eltern zwangsverheiratet werden sollen“, sagt Hatice Güler, „etwa 50 bis 60 pro Jahr.“ In solchen Fällen suche sie den Kontakt mit den Eltern: „Weil die Mädchen selbst nur selten bereit sind, ihre Eltern anzuzeigen.“ Dieser Dialog verlaufe manchmal durchaus erfolgreich: „Dann finden wir Kompromiss-Lösungen, die für Eltern und für das Mädchen tragbar sind.“
Wenn alle Versuche, mit Eltern zu kooperieren fehl schlagen, sagt Hatice Güler, gibt es nur eine Chance: „Dann müssen die Mädchen weg von den Eltern, in Sicherheit gebracht werden.“ Nicht nur in diesen Fällen, sagt Gülers Kollegin Petra Kurek, zahle sich die gute Vernetzung von Mabilda aus: „Wir sind sehr gut vernetzt mit dem Jugendamt, Polizei, mit anderen Trägern der Jugendsozialarbeit aber auch mit Unternehmen.“
So ist das „Mädchen-Frühstück“, das in Neumühl für 50 Cent angeboten wird, nur möglich, weil die Sparkasse es sponsert.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Mabilda-Macherinnen ist die Arbeit an Schulen: „Wir klären auf über Mobbing im Internet“, sagt Kurek, „und wir versuchen, den gefährlichen und extremen Druck, der durch vermeintliche Schönheitsideale entsteht, von den Mädchen zu nehmen.“
Im Neumühler Mädchentreff wird außerdem regelmäßig mit jungen Müttern zusammengearbeitet. Dies geht vom geselligen Treff, wo über Gott und die Welt geredet wird, bis hin zu Beratungsgesprächen und Trainings. Neben der Beratung werden Kreativ- und Sportangebote für die Mädchen gemacht.
Wichtig sei ihr, sagt Petra Kurek, dass man die Probleme von Mädchen nicht isoliert betrachte: „Wir arbeiten sehr aktiv mit Vereinen zusammen, in denen auch Jungs gefördert werden.“ Ein weiterer Schwerpunkt sei ein Projekt im Bruckhausener Kulturbunker, das sich speziell an Roma-Mädchen richte: „Dort feiern wir am Weltmädchentag ein Fest“.