Walsum. . Gitta Alandt sprach im Elisabeth-Groß-Haus in Walsum darüber, wie sich Familienangehörige und Pflegende in die Kindheits- und Jugenderfahrungen dementer Menschen hineinfühlen können, deren Handeln auch von alten Kriegs- und Armutserfahrungen beeinflusst sein kann.

„Ich habe mal einen Mann betreut, der oft Schwierigkeiten bekam, wenn es dunkel wurde. Er wurde dann sehr unruhig, weigerte sich abends sich umzuziehen und ins Bett zu gehen“, erzählt Gitta Alandt, Projektleiterin der Initiative „Altern und Trauma“ aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz.

„Irgendwann hat sich herausgestellt, dass dieser Mann als er noch sehr jung war, im Krieg als Wachmann eingesetzt war. Erst nachdem ich mit ihm ein paar Runden über die Station gelaufen war und er sich vergewissern konnte, das alles seine Ordnung hatte, konnte er in Ruhe zu Bett gehen.“

In einem Vortrag unter dem Thema „Wo geht es denn hier nach Königsberg?- Wie Kriegserfahrungen heute nachwirken und was hilft“ versucht Gitta Alandt Pflegekräfte und Angehörige Demenzkanker in der Heimstadt St. Barbara zu sensibilisieren.

Pflegekräfte sollen für das Thema Kriegstraum sensibilisiert werden

„Man muss sich vorstellen, drei von vier Menschen, die wir in der Seniorenarbeit betreuen, sind durch den Krieg und das Aufwachsen in der direkten Nachkriegszeit traumatisiert“, erklärt sie. Solche Traumata kommen gerade im Alter und bei desorientierten Bewohnern wieder hoch.

„Oft sieht man von außen nur, für uns merkwürdige, Verhaltensmuster. Eine zwanghafte Ordnung, oder der unerklärliche Wunsch, stets auf dem selben Platz zu sitzen. Dahinter stehen oft unvorstellbare Erfahrungen, die unbewusst zu solchem Verhalten führen“, sagt Alandt. Sie plädiert dafür widerspenstiges, oder ungewöhnliches Verhalten älterer Menschen ernst zu nehmen und aufmerksam mit ihnen umzugehen. Oft sei es für die Betroffenen sehr schwer bis unmöglich von ihren Erfahrungen zu berichten, wenn sich jedoch jemand öffne, sollte er auf einen aufmerksamen Zuhörer stoßen.

Auch mit ganz einfachen Mitteln könnten die Pfleger bereits dazu beitragen, bedrohliche Situationen für die Bewohner zu vermieden. „Diese Schuhe zum Beispiel“, Alandt deutet auf ihre modernen Stiefeletten mit breitem Absatz, „würde ich im Heim nicht mehr tragen. Das Geräusch von Stiefelschritten reicht bei vielen Bewohnern schon aus, um direkt emotional in die Angst vor feindlichen Soldaten zurückversetzt zu werden.“

Man könne selbstverständlich nicht alle „trigger“, also Auslöser für emotionales Wiedererleben, vermeiden und darum gehe es auch nicht. Wichtig sei es, achtsam zu sein und im Falle einer solchen Situation die Angst des Gegenübers ernstzunehmen und zu vermitteln, dass man an seiner Seite sei und sich um seine Sicherheit kümmere.