Wehofen. . In der Bergbausiedlung aus dem frühen 20. Jahrhundert lebt es sich ruhig. Nicht nur Alteingesessene, auch Zugezogene wissen die Gemütlichkeit in Duisburg-Wehofen zu schätzen

Die Sonne lacht. Eine Frau sitzt auf der obersten Treppenstufe ihres Hauses. Nimmt die Welt um sich herum kaum wahr – genießt die Wärme nach den kalten Regentagen und liest die Zeitung. Eine Szene wie in der guten, alten Zeit. Das ist typisch Wehofen.

Das alte Bergarbeiterdorf, das vor einigen Jahren fast komplett unter Denkmalschutz gestellt wurde und für das die Stadt sogar eine Gestaltungsfibel herausgegeben hat. „Der Denkmalschutz“, sagt Wolfgang Haag, habe ihm bisher keine Probleme bereitet. Vorne muss alles bleiben, wie es ist. Das ist gut so, denn so bleibt der Charakter der Backstein-Siedlung rechts und links der Dr.-Hans-Böckler-Straße, in der knapp 7200 Menschen leben, erhalten.

Im südlichen Teil befinden sich die ehemaligen Steigerhäuser und die Villa des einstigen Pütt-Direktors. Im nördlichen befinden sich die Malocher-Häuser. Sie sind wesentlich kleiner, aber nicht minder hübsch. Noch sind nicht alle saniert oder renoviert. Aber das wird schon. Man entdeckt immer wieder Baustellenschilder in den Fenstern und sieht, dass Handwerker oder die Eigentümer mit Arbeiten beschäftigt sind.

Plaudern über Gott und die Welt

Alles in allem strahlt der Ort Ruhe aus. Und Gemütlichkeit. Den Charme alter Zeiten. „Früher“, sagt Heinz-Dieter Gzik (58), „war’s noch besser. Da hatte man noch mehr Kontakt zu den Nachbarn.“ Weil man sich von der Arbeit kannte. Das hat sich geändert, weil so mancher „Auswärtige“ die Gelegenheit genutzt hat, sich ein preiswertes Häuschen zu kaufen.

Jürgen Dressler, einstiger Duisburger Stadtentwicklungs-Dezernent, der selbst einmal dort lebte, war des Lobes voll: „Hier ist alles ganz unkompliztiert. Wenn du ein Problem an Haus und Hof hast, hilft der Nachbar.“ Immer wieder sieht man kleine „Versammlungen“ am Straßenrand – Nachbarn, die ein Pläuschchen halten. Richtig eilig hat es dort scheinbar niemand.

Treffpunkte gibt es im knapp 2,5 Quadratkilometer großen Ortsteil mehrere: die Büdchen, wo es neben Kaffee, Bier, Eis und Naschereien auch Zeitungen gibt. Und den Supermarkt neben der katholischen Kirche St. Juliana, im Herzen der alten Bergarbeitersiedlung. Da trifft man sich, da plaudert man – über Gott und die Welt.

Vor der Kirche und dem Discounter befindet sich die einzige große Freifläche. Ansonsten ist es heimelig eng. Die Straßen sind von überwiegend alten, schattenspendenden Bäumen gesäumt und tragen überwiegend Namen, die von Bäumen stammen: Unter den Ulmen, Unter den Kastanien, Im Birkenhain.

Neubauten findet man nur wenige. Ein paar Lücken, die im Zweiten Weltkrieg gerissen wurden, sind durch Mehrfamilienhäuser ersetzt worden – und am Rande nach Dinslaken hin sind Eigenheime entstanden. Schicke Bauwerke.

Beim Schlendern durch die Straßen fällt auf, dass der Wehofener zwei Dinge liebt: Dekorationen und Zäune. In den Fenstern, auf Fensterbänken und an der Treppenaufgängen befinden sich Blumenkübel, kleine Figürchen, aber auch eine Seilscheibe, eine Lore und sogar ein alter Pflug. Was sich hinter den Häusern verbirgt? Das ist nur schwer herauszufinden. Man lässt sich nicht gerne in die Karten, pardon: Gärten schauen. Deshalb gibt es jede Art von Sichtschutz: Holzzäune, mit Plastikfolie zugehängte Metallmatten, hohe Hecken. Welche Oasen sich dahinter verbergen? Man kann es nur ahnen, oder lässt sich einladen. „Kommen Sie, schauen sie sich mal um“, sagt Wolfgang Haag und öffnet die Tür. Man kommt aus dem Staunen kaum heraus: ein supergepflegter Rasen, ein Springbrunnen, ein Gemüsegarten. Bei seinen Nachbarn sieht es kaum anders aus. Woher wir das wissen? Im Hinterland lässt man sich eben doch mitunter in die Karten schauen.