Neumühl.. Die Geschichte der Neumühler Bergwerksschächte I und II spiegelt Aufstieg und Fall der Steinkohlenindustrie wieder. Mit dem Visionär Franz Haniel fing alles an.
„Mein Großvater Franz Bulla kam in den 1920’er Jahren aus der Nähe von Kattowitz in Oberschlesien nach Neumühl, wo er als Kohlenhauer eine Anstellung fand“, sagte Jörg Weißmann, Vorsitzender des Heimatvereins Hamborn, im Vorgespräch zur Serie über die Bergwerke in den Hamborner Bezirken, die vom Heimatverein mit Fakten und Fotos unterstützt wird.
Zu Beginn als lediger Bergmann noch „Kostgänger“, Untermieter, einer anderen Bergmannsfamilie. Ein Los, das er mit tausenden Bergleuten in Neumühl teilte, die seit Beginn der 1890’er Jahre in der „Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Neumühl“ ihr hartes Brot erwirtschafteten.
Den Grundstein für den Steinkohlenbergbau in Neumühl legte ein Visionär, der legendäre Unternehmer Franz Haniel (1779-1868). Ab 1853 wurde manuell nach Kohle gebohrt. Nach drei Jahren stieß man unter Neumühl in einer Tiefe von 120 Metern auf eine Kohlenschicht.
Bis der Schacht 1 in Neumühl schließlich 1897 die Förderung aufnahm, war es noch ein langer Weg: Insgesamt neun entdeckte Steinkohlen-Felder, die sich später als sehr ergiebig herausstellen sollten, wurden 1867 zum Grubenfeld Neumühl zusammengefasst. Was auch der Grund war, dass der Schacht II zwei Jahre nach dem ersten Schacht, 1899, in Betrieb ging. Mit dem Jahrhundertwechsel gingen in Neumühl die ersten 60 Koksöfen in Betrieb. Die Zahl der Arbeiter explodierte, im Jahr 1900 war die Belegschaft rund 1800 Mann stark. In der Folge wurden Kohlenhauer wie Franz Bulla in den Ostgebieten des Reichs angeworben, zogen von Schlesien und Ostpreußen an die Ruhr.
Vor Beginn des 1. Weltkriegs wuchs die Belegschaft auf 6000. Jährlich 1,3 Millionen Tonnen Kohle wurden gefördert, 245.000 Tonnen Koks produziert. Vor 100 Jahren: Beginn einer finsteren Epoche. Weil viele Arbeiter ab 1914 in den Krieg mussten, wurden bis zum Kriegsende 1918 zahlreiche Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter eingesetzt. Die Jahre 1924 bis 1933 werden von Zeitzeugen als die „goldenen Jahre“ des Neumühler Pütts gepriesen. Davor und danach prägten Entbehrungen und Krisen das Leben der Kumpel und ihrer Familien . Die Heimsuchung des 2. Weltkrieges geriet mit wirtschaftlicher Normalisierung erst ab 1949 langsam in Vergessenheit.
Das deutsche Wirtschaftswunder befeuerten sie noch mit ihrer Kohle, die Männer von Schacht I und II in Neumühl. Mitte der 50’er Jahre fielen dann die ersten Schichten aus, der Kohlepreis brach weltweit ein. Im Juni 1963 wurden die Schächte I und II stillgelegt.