Hamborn. . Pfarrer Rüdiger Klemm vom Duisburger Ostacker überließ dem Heimatverein Duisburg-Hamborn eine riesige, alte Schreibmaschine. Diese soll in Zeiten des Widerstands gegen Hitler in der Germania Brotfabrik des SPD-Widerstandskämpfers August Kordahs gestanden haben

„Im Keller, da steht eine alte Schreibmaschine“, sagte Pfarrer Rüdiger Klemm damals, im Advent 2011, als sich der Autor dieser Zeilen mit ihm über die Tradition der Arbeiterbewegung am Ostacker unterhielt, „die Maschine soll von den Widerstandskämpfern in der Germania-Brotfabrik zum Schreiben von Flugblättern genutzt worden sein.“

Dies habe ihm, sagte Klemm, der Enkel eines längst verstorbenen Sozialdemokraten mitgeteilt. Er habe die wuchtige „Triumph Duofix“ mit der Seriennummer 514548 – ei­gentlich eine Buchungsmaschine mit Zählwerk, die auch als Schreibmaschine genutzt werden konnte – mit seinem Wegzug aus Duisburg der Gemeinde am Ostacker vermacht. Dort stand sie fast 20 Jahre lang an einem Ort, an dem sie auch in der Germania-Brotfabrik, dem größten Duisburger Widerstandsnest gegen die Hitler-Diktatur, gestanden haben soll: im Keller.

Als Jörg Weißmann, Vorsitzender des Hamborner Heimatvereins, von der Schreibmaschine erfuhr, war er Feuer und Flamme, traf sich im Frühjahr mit dem Pfarrer.

Der überließ das Gerät gern den Hambornern, die es mit Begeisterung annahmen. Zumal sie für den Oktober ohnehin eine Ausstellung zur Germania-Brotfabrik und den Widerstandskreis um August Kordahs planten.

Die wird nun am 17. Oktober auch im Hamborner Bahnhof an der Markgrafenstraße eröffnet. Die Schreibmaschine, die vorher vom Verein durch einen Experten datiert und geprüft wurde, stellten der Vorsitzende Weißmann, sein Vize Manfred Schornstein und Vorstandsmitglied Thorsten Fischer, seines Zeichens Historiker an der Uni Duisburg, vor dem Tag der Deutschen Einheit als kleinen Vorgeschmack auf die anstehende Ausstellung erstmals der Öffentlichkeit vor.

Das Alter der „Triumph Duofix“, sagt Jörg Weißmann, passe jedenfalls in jene Zeit, in der August Kordahs, der Sozialdemokrat, Widerstandskämpfer und Unternehmer, die Germania-Brotfabrik gekauft und zum Sammelbecken linker, meist sozialdemokratischer Widerstands-Aktivisten ausgebaut hatte.

Im Jahre 1934 kaufte der gebürtige Holtener Kordahs die Brotfabrik – „mit welchem Geld“, sagt Fischer, wisse man bis heute nicht: „Vielleicht Gelder der von den Nazis verbotenen SPD.“ Kordahs baute in kurzer Zeit ein weit verzweigtes Verteilernetz aus Brotfahrern mit linkem politischen Hintergrund auf. Diese, sagt Fischer, hätten sich aus dem Arbeiterbund, SPD, Gewerkschaften und Reichsbanner – allesamt von den Nazis bedrohte oder verbotene Organisationen – rekrutiert.

„Kordahs war in dieser Zeit Widerstandskämpfer und geschäftstüchtiger Unternehmer“, sagt Fischer, „er erschloss sich neue Absatzmöglichkeiten, denn die Brotfahrer fanden in Arbeitersiedlungen neue Abnehmer für Brot, die dann meist auch politisch Gleichgesinnte waren.“ Mit dem Brot lieferten sie illegale Flugschriften wie die „Sozialistische Aktion“ aus, die ihnen von Exil-Sozialdemokraten aus Prag übermittelt wurden: „Anfangs heuerte Kordahs dafür Berufsschmuggler an“, sagt Fischer.

Schon 1935 flog die Sache auf, Kordahs wurde zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt, 167 andere Widerständler kamen 1936 in den „Brotfahrerprozessen“ vor Gericht. Nach dem Krieg machten viele von Kordahs’ Mitstreitern Karriere. Sebastian Dani wurde Nachkriegs-Bürgermeister in Bonn, wurde dort ein legendärer Stadtdirektor, Hermann Runge gehörte zu den Gründervätern der Bonner Republik.

Was in jenen Jahren der Heimsuchung schließlich auf der Triumph geschrieben wurde, das bleibt, letztlich, das Geheimnis ihrer mächtigen Lettern.