Marxloh.. Wählen oder nicht? Beim Politischen Nachtgebet ging es nicht um Kandidaten und TV-Duelle. Vielmehr um die Frage, ob es sich zu wählen lohnt


„Wählen? Was habe ich denn davon? Wollen sie mich veralbern?“ antwortet die junge Mutter, vielleicht 18, 20 Jahre jung, die neben dem Marxloh-Center mit ihrem kleinen Sohn spielt, auf die Frage, ob sie denn am 22. September an der Bundestagswahl teilnehmen werde.

Ihre Freundinnen nicken: „Für uns hier in Duisburg macht doch sowieso keiner was!“

Wenige Minuten nach dieser ebenso ernüchternden wie un-repräsentativen Spontan-Umfrage beginnt wenige Meter weiter, in der Kreuzeskirche, das Politische Nachtgebet. Im Mittelpunkt dessen, was der Vorbereitungskreis um Pfarrer Hans-Peter Lauer für diesen Abend vorbereitet hat, steht die Frage: „Wählen gehen – warum?“ Es mögen 30, 35 politisch interessierte Bürger sein, die sich im Innern der größten Kirche des Nordens versammelt haben.

Jürgen Köhnen spielt zur Begrüßung auf der Harmonika und spielt – als Kabarett-Einlage – den Gästen anschließend den typischen Nicht-Wähler vor: „Wenn wir freie Wahl haben nehme ich mir die Freiheit, nicht zu wählen! Bringt doch nix!“

Es würden vermutlich wieder mehr als 20 Millionen Menschen, schließt Köhnen nachdenklich, am 22. September ihr Wahlrecht nicht nutzen: „Kleine Leute in erster Linie. Aber, da machen wir uns nichts vor: Die Großkopferten, die werden wählen gehen!“

Pfarrer Hans-Peter Lauer hat an diesem Abend bewusst keine Bundestagswahl-Kandidaten eingeladen: „Das machen wir heute mal ganz unter uns.“ Die Bibel, sagt Lauer, könne freilich nicht mit Empfehlungen pro oder kontra Wahl dienen: „Es gibt aber eine durchgängige Tendenz, menschlicher Machtausübung zu misstrauen, diese stets zu hinterfragen.“

Im Buch der Sprüche, sagt Lauer weiter, werde der Christenmensch selbst zu politischem Engagement aufgerufen: „Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind, heißt es da, Tue deinen Mund auf und richte recht und räche den Elenden und Armen“, sagt Lauer, der darin allerdings eine Empfehlung erkennen kann: „Treffe ich eine Wahl im Blick auf andere, auf die Probleme anderer, die gelindert werden sollten?“ sagt Lauer: „Oder treffe ich eine Wahl, die nur in meinem Interesse ist, meinem eigenen Wohl dienen soll?“

Bei letzterer Überlegung, sagt Lauer, sei die Versuchung freilich groß, der Wahl fern zu bleiben – gerade wenn der Bürger für sich selbst nichts mehr erwarte.

„Ich bin sehr stolz, wählen zu dürfen“, sagte eine Besucherin bei der abschließenden Diskussion, „und ich hoffe, dass ich etwas zum Besseren ändern kann.“ Viele der Menschen, die am Montag in der Kreuzeskirche waren, sahen dies ähnlich.