An verschiedenen Stellen des riesigen Raumes dominieren zwar Mal-Utensilien. Großformatige Bilder hängen an den weißen Wänden. Aber mittendrin ist herrschaftliches Gestühl um einen Tisch mit zwei imposanten Kerzenleuchtern gruppiert. Rotweinflaschen und Körbe mit knusprigem Salzgebäck sind aufgetragen. In einer Ecke ist es gar wohnzimmerlich, steht ein Sofa. Hier arbeitet der Maler Cyrus Overbeck und empfängt gelegentlich Gäste. Der Maestro ist wieder nach Duisburg zurückgekehrt, in die alte Brotfabrik seines Großvaters. Neuerdings pendelt er zwischen seinem Atelier in Esens-Bensersiel an der Nordsee und Beeck. Aber auch New York war schon eine der Stationen seines Schaffens.

Mit Kopieren angefangen

„Er erfindet sich halt immer wieder neu“, sagt sein Galerist Bruno Kehrein, der aus Düsseldorf gekommen ist. Und dazu gehören der Wechsel des Standorts und der Eindrücke.

Die allermeiste Zeit verbringt Overbeck hier allein mit seiner Kunst, arbeitet die Nächte durch, duscht zwischendurch kalt - und hält sich an Rotwein und seinen Zigaretten schadlos. Dabei gilt er als der Philosoph unter den deutschen Malern.

„Mit 14 Jahren hab’ ich zu meinem Großvater gesagt, ich brauche 100 Mark“, erzählt der 42-Jährige. „Ich bin damit zum Wallraf-Richarz-Museum nach Köln gefahren, habe mir einen Schoko-Riegel, Erdnüsse und eine Dose Cola gekauft und damit begonnen, Bilder von Claude Monet zu kopieren.“ Overbeck schmunzelt. Das konnte nicht klappen. „So zu malen wie er, setzt eine unglaublich lange und intensive Beschäftigung mit Farbe und Licht voraus.“ Aber von jenem Tag an sei ihm klar gewesen: „Kunst ist mein Leben.“ Eine lange Lehrzeit begann. Sie hält, genau genommen, bis heute an. „Kunst ist Scheitern“, sagt der Gastgeber. „Man fängt immer wieder von vorne an.“

Dabei seien die Momente der absoluten Erschöpfung häufig die kreativsten. Nur: „Man muss der Kunst demütig begegnen“, hören wir. „Sonst zeigt sie einem, wie klein man wirklich ist.“ Man sei ja nur das Werkzeug, um all die verborgenen Dinge zu offenbaren. „Ich hab’ ganz viel kopiert“, gesteht er, im Prado und im Louvre, den beiden großen Museen in Madrid und Paris. Dabei sei nur ein Prozent Genie, 99 Prozent dagegen Arbeit und Fleiß. „Meine Hand muss die Verlängerung meines Herzens, meines Gefühls sein.“

Cyrus Overbeck zündet sich eine neue Zigarette an, öffnet eine weitere Flasche Rotwein. Und dann gibt er uns Einblicke in seine Gedankenwelt. „Alle, die im Maße des Möglichen aufrecht und ehrlich sind“, sagt er, „bilden eine Familie.“ Die Stammzelle der Demokratie. Die aber sei gefährdet in einer Zeit, in der alles Nützlichkeitserwägungen untergeordnet werde.

Wo bleibe, so fragt er, im Hochschulstudium heute noch die Zeit, persönlich zu reifen, Missstände zu erkennen und eine humanistische Weltsicht zu entwickeln? Alles individuelle Glück aber sei hölzern, wenn die Gesellschaft als Ganzes verelende. „Und damit ist auch unser privates Glück gefährdet.“

Wir hören weiter gespannt zu, denn Overbeck spricht druckreif, zitiert aus der Bibel ebenso wie aus der Hochliteratur. Kunst, Deutsch, Geschichte und evangelische Religion waren seine Fächer. „Ich hab’ ja nie mit dem Bewusstsein studiert, dass ich mal Lehrer werde“, sagt er. „Ich wollte nur kein dummer Maler sein.“