Duisburg-Ruhrort/Laar. .

In Duisburg gibt es insgesamt 29 Schiedsbezirke, die, soweit sie besetzt sind, jeweils einen ehrenamtlichen Schiedsmann haben. Dieser dient als eine Art vorgerichtliche Streitschlichtungsinstanz. Was genau das bedeutet und wie so ein Schiedsverfahren abläuft, diskutierte WAZ-Mitarbeiterin Esther Merkelt mit dem Schiedsmann für Ruhrort/Laar, Norbert Reinstädler (50). Am Esstisch in der gemütlichen Wohnküche, direkt gegenüber einer üppigen Fotogalerie, stapelten sich Nachschlagewerke und Informationsmaterial. Der „Friedensrichter“ hatte sich vorbereitet.

Wie sind Sie Schiedsmann geworden?

Reinstädler: Ich bin eigentlich nur durch einen Zufall dazu gekommen. Damals gab es einen Artikel über das Schiedswesen im Lokalteil der Zeitung und da habe ich gelesen, dass der Bezirk Ruhrort/Laar unbesetzt ist. Da habe ich dann einfach beim Rechtsamt angerufen und mich beworben. Anschließend wurde ich dann von der zuständigen Bezirksvertretung für fünf Jahre ins Amt berufen. Nun bin ich schon in meiner zweiten Amtszeit, also im sechsten Jahr.

Was genau macht ein Schiedsmann?

Das ist im Grunde ganz simpel. Nehmen wir mal an, du hast dich abends in einer Wirtschaft mit einem Bekannten gezofft und es gab Beleidigungen und vielleicht auch noch eine Ohrfeige. Das ist dann ein klassischer Fall, mit dem du zum Schiedsmann gehst.

Wie kommt man dann an einen Termin beim Schiedsmann?

Man ruft mich einfach an. (lacht) Wenn man den zuständigen Schiedsmann nicht kennt, wissen aber auch die Polizei und das Amtsgericht, wer das ist und auch das Bürgerbüro kann einem da weiter helfen.

Und was passiert dann?

Dann gehe ich als Schiedsmann hin und lade beide Parteien zu einem Schiedsgespräch vor. Das findet dann in der Regel hier bei mir am Küchentisch statt. Es gäbe theoretisch auch die Möglichkeit, das in einem Raum im Bezirksamt oder im Bürgerbüro zu machen, aber mir ist es lieber die Gespräche hier bei mir zu Hause zu halten.

Wieso das?

Weil es einfach effektiver ist. Ich meine, die Atmosphäre von so einer Wohnküche ist einfach viel angenehmer, wenn man einen Streit beilegen möchte.

Okay, und wie geht es dann weiter?

Dann versuche ich als Moderator die beiden Parteien in ein Gespräch zu bringen, damit sie ihren Streit beilegen und wir einen Vergleich schließen können. Das Gespräch wird dann von mir protokolliert und der Vergleich festgehalten.

Kostet so ein Verfahren denn etwas für die beteiligten Parteien?

Ja das Schiedsverfahren kostet Geld, allerdings maximal fünfzig Euro. Davon sind zehn Euro für Sachkosten, wie zum Beispiel Briefe schreiben, Kopien und so was. Die anderen vierzig Euro sind Gebühren. Die richten sich danach, ob die Parteien einen Vergleich geschlossen haben oder nicht. Wenn es nicht zu einem Vergleich kommt, betragen die Gebühren immer zehn Euro. Wenn doch, richtet sich die Summe nach dem Aufwand des Schiedsverfahrens. Manche Gespräche dauern nur eine halbe Stunde, manche auch zwei und in Fällen, wo es um Hecken, Bäume oder Zäune geht, sind oft auch Ortstermine fällig. Da habe ich dann beispielsweise auch die Möglichkeit, einen Sachverständigen vom Grünflächenamt dazuzuziehen. Bei solchen Fällen werden dann die vollen vierzig Euro fällig.

Und wer zahlt diese Gebühren?

Die zahlt der Antragsteller in Vorkasse. Allerdings ist es häufig so, dass die Gebühren dann während des Gesprächs zur Verhandlungsmasse der streitenden Parteien werden. Am Ende kommt es dann oft vor, dass die beiden Parteien sich den Betrag teilen, oder der Antragsgegner die Gebühren übernimmt, weil der Antragsteller im Gegenzug auf irgendeinen anderen Kompromiss eingeht. Da geht es manchmal zu wie auf einem Basar.

Er kennt Pitt und Jan

Norbert Reinstädler ist ein Laarer Original, er kennt in seinem Stadtteil, wie er sagen würde „Pitt und Jan und alle Mann“. Bei Spaziergängen mit seiner Hündin Noa erkundet er täglich, was sich so in seinem Bezirk tut. Er lebt schon seit seiner Kindheit an derselben Straße, heute zusammen mit seiner Frau Ute Bartels. Die Heimat hat er nur während seines Studiums der Sozialen Arbeit für zwei Semester gegen ein Zimmer in Marburg getauscht, das jedoch auch nur an drei Tagen in der Woche. Durch seinen Job als Sozialarbeiter ist ihm nichts Menschliches fremd. Streithähne holt er allein durch seine eigene Mischung aus Herz und Ruhrpott-Schnauze auf den Teppich zurück. Auf Amtsdeutsch kann er dabei komplett verzichten.

Der Schiedsmann Reinstädler wurde mit einer Contergan- bedingten Fehlbildung der Arme geboren, für seine Arbeit spiele das allerdings keine Rolle, sagt er.

Auf welcher Grundlage entscheiden sie als Schiedsmann, wenn es um einen solchen Vergleich geht?

Zunächst einmal entscheide ich gar nichts, ich verhandle mit den beiden Parteien. Die wichtigsten Grundlagen zum Schiedsgesetz und meinen Aufgaben habe ich bei einem verpflichtenden Einführungsseminar gelernt. Darüber hinaus gibt es auch Hilfestellungen vom Bund Deutscher Schiedsleute (BDS), wie zum Beispiel Zusammenfassungen von den wichtigsten Rechtsgrundlagen und Stichwortverzeichnisse. Außerdem bekomme ich monatlich eine Schiedsmann-Zeitung, in der in jeder Ausgabe zwei Schwerpunktthemen behandelt werden. Zwei Schiedsleute stellen dann, natürlich anonymisiert, je einen Fall vor und der wird dann näher beleuchtet.

Eine letzte Frage: Sie haben ja Soziale Arbeit studiert, glauben sie ,dass ihnen ihr Studium in ihrer Tätigkeit hilft?

Nein im Grunde tut es das nicht. Um Schiedsmann zu sein, braucht man nämlich keine rechtlichen Vorkenntnisse oder so etwas. Das Wichtigste lernt man wirklich in den Einführungsseminaren. Und wenn man später doch mal eine Frage hat, fragt man entweder Kollegen, die schon länger dabei sind, oder man wendet sich an den zuständigen Richter beim Amtsgericht. Die Sicherheit kommt einfach mit der Erfahrung.