Die Bürger im Norden der Stadt geraten immer häufiger in Rage. Man will ihnen das Zuhause nehmen (Stichwort: Häuserabriss fürs Outlet-Center). Man will ihnen die Wahrzeichen nehmen (Stichwort: Walsumer Förderturm). Man will ihnen die Lebensqualität nehmen (Stichwort: Botanischer Garten). Man will ihnen die Glaubensheimat nehmen (Stichwort: geplante Kirchenschließungen). Man will ihnen die Kultur nehmen (Stichwort: drohende Schließung des Ratskellers).
Berechtigter Protest
Der Protest, der sich vielfältig zeigt, ist berechtigt. Denn: Die Menschen haben immer häufiger das Gefühl, nicht beteiligt, ja nicht einmal mehr informiert, sondern nur noch vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Sie sollen einfach nur alles hinnehmen - so jedenfalls stellen sich Politik, Verwaltung und auch Firmen das vor. Aber: Die Bürger sind die politische Taktiererei, Schönrederei, Hinhalten und Nicht-mit-der-Wahrheit-Herausrücken leid. Es macht sie wütend, weil sie sich machtlos, missachtet fühlen.
Und ihr Gefühl täuscht nicht, wie sich am Fall „geplanter Wohnungsabriss“ am Zinkhüttenplatz wunderbar exemplarisch zeigt: Da wird seit Jahren ein Shopping-Center geplant - und die Rede ist immer nur davon, dass es auf dem Gelände der Rhein-Ruhr-Halle entstehen soll. Kaum hat ein Investor aber den Zuschlag bekommen, kocht auch schon ein Gerücht hoch, das schnell zur Gewissheit wird: Um das Projekt realisieren zu können, sollen auch 400 Wohnungen abgerissen werden. Nur: Mit den Mietern hat niemand gesprochen. Sie erfahren von diesem für sie einschneidenden Plan aus der Zeitung. Und die Politik? Die zuckt mit den Achseln, tut auch ganz überrascht, hat angeblich von nichts gewusst. Was definitiv nicht stimmt, wie die Redaktion aus erster Hand erfuhr: Seit rund einem dreiviertel Jahr wusste zumindest der Hamborner Bezirksbürgermeister Uwe Heider (SPD) davon. Und Vermieterin Immeo, die auch erst nach unserer Berichterstattung ein sehr verklausuliertes Schreiben an ihre Bewohner schickte, soll noch mindestens ein halbes Jahr länger davon wissen - dem Vernehmen nach laufen schon so lange Gespräche mit dem Outlet-Investor.
Man fühlt sich, wie man in diesem Jahr immer häufiger hörte, im Norden als Bürger zweiter Klasse. Eine unerfreuliche Entwicklung - aber durchaus nachvollziehbar. Und darüber sollten alle Entscheidungsträger jetzt - wie Comedian Fritz Eckenga sagen würde - mal mindestens eine Viertel Stunde nachdenken.