Unwürdig sei es, beklagte jüngst ein Leser bei der Rollenden Redaktion vor dem Meidericher Bahnhof, nur mit ei­ner mäßig attraktiven Gedenktafel an die Opfer des Luftangriffs auf den Tunnel an der Tunnelstraße in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944, vor 67 Jahren also, zu erinnern. Die Opfer dieser Katastrophe gehörten auf einen Friedhof, empörte sich der Leser.

Dass sie dort ihre letzte Ruhestätte fanden, macht sowohl die Schwere des Angriffs deutlich, dem sie zum Opfer fielen, als auch, wie verheerend die Lage danach in der ganzen Stadt gewesen sein muss.

Denn es handelte sich dabei nicht um irgendeinen der insgesamt 311 Luftangriffe, die Duisburg von 1940 bis 1945 hinnehmen musste. Die Stadt war an jenem Oktober-Wochenende Opfer der größten alliierten Luftoperation im Zweiten Weltkrieg geworden. Das jedenfalls hat der Ungelsheimer Luftkriegsforscher Harald Molder in jahrelanger Kleinarbeit herausgefunden.

Duisburg war bei Kriegsbeginn 1939 eine Großstadt am rechten Rheinufer mit 435 000 Einwohnern. Als Hauptumschlagplatz für das Ruhrgebiet und als eine der Stahlschmieden des Deutschen Reichs war sie für den von Hitler-Deutschland am 1. September begonnenen Zweiten Weltkrieg von erheblicher strategischer Bedeutung.

Deshalb begannen die Alliierten auch schon 1940, sich auf die Stadt einzuschießen. Der erste Luftangriff fand in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1940 statt. Die ersten Bomben fielen auf Hochfeld. Der bis Oktober 1944 schwerste Luftangriff hatte am 13. Mai 1943 stattgefunden, anderthalb Jahre zuvor. Bis zu 500 Flugzeuge hatten Briten und Amerikaner bis dahin maximal aufgeboten.

Als an jenem Samstag kurz nach 8 Uhr früh die Sirenen heulten, konnte niemand ahnen, welch gewaltige Luftstreitmacht die Briten diesmal aufbieten würden. Zwar war es der 240. Luftangriff auf Duisburg seit Kriegsbeginn. Aber die meisten davon waren von kleineren Verbänden vorgetragen worden, zuletzt am 10. Oktober, als sechs Bomben auf die Stadt fielen. Das genau war das Zermürbende am Luftkrieg, dass man ständig, Tag und Nacht, mit dem Schlimmsten rechnen musste, es aber meist glimpflich verlief.

Am 14./15. Oktober sollte es anders kommen. Nach Molders Studien in Archiven in Großbritannien und den USA stammte der Befehl dafür vom 13. Oktober. Das Oberkommando der Königlichen Luftwaffe forderte darin 2500 Flugzeuge an, um gemeinsam mit der Achten US-Luftflotte das Ruhrgebiet und das Saargebiet anzufliegen. Die südliche Stoßrichtung übernahmen die Amerikaner mit 1251 Bombern.

Molder: „Es galt, nicht nur die ökonomische und militärische Basis zu treffen. Vielmehr wollte man die eigene Überlegenheit demonstrieren und die Widerstandskraft der Zivilbevölkerung treffen.“ Günstiges Wetter und völlige Monddunkelheit hätten den Angriff schon am folgenden Tag zugelassen. Das genaue Ziel: die Stadt Montan.

Um die deutsche Luftabwehr zu irritieren, hatte es drei Ablenkungsflüge gegeben. Zwölf deutsche Abwehrjäger, so notierten die Briten, hätten sich angesichts der gewaltigen britischen Überlegenheit nur noch in Sicherheit gebracht. Denn um 8.35 Uhr erreichten 1063 britische Bomber das Stadtgebiet. Ihr Zielkorridor lag auf Höhe von Wanheimer­ort. Um 9.15 Uhr war der Angriff vorbei, waren die rund vier Tonnen Bombenlast, die jede der britischen Lancaster-Maschinen tragen konnte, abgeworfen. Manche der Bomben hatten Zeitzünder, explodierten während der anschließenden Bergungsarbeiten.

An diesem Wochenende sollten die Duisburger nicht mehr zur Ruhe kommen. Um kurz nach 1 Uhr in der Nacht wurde erneut Alarm gegeben. 1065 Bomber flogen diesmal die Stadt in zwei Wellen an. Die erste richtete sich um 1.20 Uhr 20 Minuten lang gegen Laar und Meiderich. Die zweite Welle traf ab 3.30 Uhr zwanzig Minuten lang Hamborn und Beeck. Insgesamt 9000 Tonnen Bomben, überwiegend Sprengbomben, gingen nieder.