Duisburg-Beeck. . Statt 401 Bäume zu pflanzen, die zusammen 100 250 Euro kosten sollten, pflanzte die Stadt 278 Jungbäume, die aber 206 604 Euro kosteten. Warum? Keine Ahnung, sagt die Stadt.

„Irgendetwas stimmt da nicht“, wunderte sich jetzt Rainer Gänzler, neuer grüner Be­zirksvertreter in Meiderich/Beeck. Er hatte den Bericht der Stadtverwaltung über Er­satzpflanzungen für ge­fällte Bäume durchgearbeitet.

Alljährlich gibt die Verwaltung eine Übersicht darüber, so diesmal für die Pflanzperiode vom 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010, an welchen Stellen im Stadtgebiet welche neuen Jungbäume gepflanzt wurden.

Das und wie das zu geschehen hat, ist in der Baumschutzsatzung geregelt. Allerdings zäh­len nur Bäume ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern. Wer als Privatmann einen solchen Baum beseitigen will oder muss, weil er zum Beispiel baut oder der Baum umsturzgefährdet ist, der muss, so schreibt es die Satzung vor, je angefangene 40 Zentimeter Stammumfang des Alt-Baumes einen Jungbaum neu pflanzen. Will oder kann er das nicht, etwa weil auf seinem Grundstück kein Platz mehr dafür ist, übernimmt die Stadt das gegen Zahlung von in der Regel 250 Euro.

Für Gänzler sind beide Fälle in der jüngsten Vorlage nicht schlüssig dargelegt. Denn da­nach sind in dem genannten Zeitraum im gesamten Stadtgebiet 2797 Bäume zur Fällung freigegeben und die Er­satzpflanzung von 3200 Bäumen festgesetzt worden. „Da kämen ja“, rechnete er jetzt den Bezirksvertreter-Kollegen vor, auf einen gefällten Baum lediglich 1,14 Ersatzpflanzungen. Wie passt das mit der Regelung, je angefangene 40 Zentimeter Stammumfang müsse ein Jungbaum gepflanzt werden, zusammen, zumal erst Bäume ab 80 Zentimetern be­troffen sind?“, fragt er. An­genommen, alle zu fällenden Bäume hätten exakt 80 Zentimeter Stammumfang besessen, hätten schon je ge­fälltem Baum zwei neue gepflanzt werden müssen, also nicht 3200, sondern ungefähr 5600. Ab 81 Zentimetern aber schon drei und somit noch mehr.

Schon bei den von den Grundbesitzern geleisteten Er­satzpflanzungen geht das Verhältnis nicht auf. Denn von ihnen wurden nur 2799 Er­satzbäume gepflanzt. In 401 Fällen kassierte die Stadt die 250 Euro und bestimmte den Standort für die Ersatzpflanzung selbst.

Auch dabei jedoch stimmt etwas nicht. Denn die Vorlage nennt zwar 401 Ersatzzahlungen, zu­sammen 100 250 Euro. Gepflanzt wurden aber in dem Zeitraum nur 278 Jungbäume, die aber für 206 604 Euro. Das aber macht je Baum 743 Euro aus und nicht 250. Wer aber hat die Differenz von 493 Euro finanziert? Im Ergebnis wäre durch die Stadt folglich nicht einmal für jeden zu fällenden Baum, für den sein Besitzer selbst keinen Ersatzpflanzen konnte, wenigstens ein Ersatzbaum ausgebracht worden - eine Negativ-Bilanz an­ge­sichts der hohen Luftbelastung gerade im Duisburger Norden.

Auf Fragen der Redaktion dazu gab die Stadtverwaltung Antworten. So werde, heißt es darin, die Stammumfang-Regel nicht überall streng angewendet.

„Handelt es sich um einen beschädigten Baum oder um Bäume mit Wachstumsbeeinträchtigungen, kann eine ge­ringe Ersatzpflanzung im Einzelfall festgelegt werden“, teilt Pressesprecherin Anja Huntgeburth mit. Nach den Zahlen müsste das aber sogar die Re­gel sein. Dann verweist sie darauf, nicht immer könne im gleichen Berichtszeitraum, in dem die Fällung stattfand, auch sogleich für Ersatz ge­sorgt werden. Aber das lässt Rainer Gänzler als Erklärung nicht gelten: „Es handelt sich ja in der Vorlage um Soll-Zahlen, nicht um Ist-Zahlen.“ Wie die Bilanz nach Ist-Zahlen, also tatsächlich gepflanzten Bäumen, ausfällt, will er lieber gar nicht wissen.

Ganz und gar rätselhaft bleibt, woher das Geld für die geleisteten 278 Neuanpflanzungen stammt. Die Stadt jedenfalls, so Huntgeburth, schieße kein Geld zu. Und sie nimmt seit Ende der 80er Jahre, seitdem wurde nur von D-Mark auf Euro umgestellt und aufgerundet, pro Baum nur 250 Euro. Gänzler hält schon die fehlende Anpassung an die Preissteigerungen seitdem für fragwürdig.

Oder gilt die Stammumfangs-Regel für die von der Stadt durchzuführenden Er­satzpflanzungen am Ende gar nicht? Der Recklinghäuser Ver­­waltungsjurist Eduard Dischke meint schon. „Ich kann ja nicht in einer Satzung das Wort 'Ersatzpflanzung' mit unterschiedlichen Bedeutungen verwenden, ohne sie zu erklären“, sagt er. Rainer Gänzler jedenfalls ist sehr gespannt, wie die Verwaltung die Merkwürdigkeiten demnächst in der Be­zirksver­tre­tung erklären wird.