Leise rieselt der Schnee. Windböen fegen über Wehofen. Das Thermometer hat sich irgendwo bei minus vier Grad eingependelt.
Auf dem Platz vor dem Gemeindehaus haben sie vier große weiße Pavillons gestellt. Darunter sitzen, stehen dick vermummte Christen im Schnee. Daneben ein riesiger Weihnachtsbaum, den die Kindergruppe mit bunten Holzfiguren geschmückt hat. Drumherum und mittendrin Schneehaufen, in die die Küster Schlitten aufrecht gesteckt haben. Eine Szene nicht aus dem Süden Lapplands sondern aus dem Norden Duisburgs. Hier feierte die evangelische Kirchengemeinde Wehofen am Heiligabend ihren Familiengottesdienst der etwas anderen Art…
Die 1900-Seelen- Gemeinde um Pfarrerin Sabine Gradtke macht beim Weihnachtsfest 2010 aus der Not eine Tugend. Denn das Gemeindehaus an der Dr.- Hans-Böckler Straße wird derzeit umgebaut. Der rund 100 Jahre alte Backsteinbau, ursprünglich mal ein Bauernhof, wird seit dem Frühjahr komplett saniert. Das marode Dach wird erneuert, der Backsteinbau erhält rundum eine Wärmeisolierung. In den einen Flügel zeiht ein großes Kolumbarium, ein Urnenfeld, eine würdige Gedenkstätte. Der andere Flügel wird den neuen Gemeindesaal aufnehmen. Bis zum Sommer soll alles fertig sein. Freilich zu spät für den Weihnachtsgottesdienst 2010.
Und so liegt es nahe, dass Pfarrerin Gradtke in ihrer Predigt am Heiligen Abend das improvisierte Notquartier vor dem Gemeindehaus mit dem Stall von Bethlehem vergleicht, in dem Maria und Josef Zuflucht suchen. Um ihre Schäfchen bei Laune zu halten, haben Pfarrerin, Küsterin Marlies Roggenbauer und die vielen Helfer schon im Vorfeld eine Menge geleistet. Morgens haben die Küsterin und ihr Ehemann den Schnee weggeräumt, Pavillons, Stühle, Schlitten und Heizstrahler aufgestellt. Andere gute Geister haben Kakao und Glühwein gekocht. Das wärmt den Körper. Die Seelen wärmen jetzt die Weihnachtslieder, die die Besucher jetzt anstimmen, begleitet von einer Bläsergruppe und der Band „Wehofen Worshippers“: „Alle Jahre Wieder, „Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen“, „Kommet, ihr Hirten“, „Herbei, o ihr Gläubigen“ und natürlich „Ihr Kinderlein, kommet.“
Pfarrerin Gradtke fröstelt - genau wie ihre 120 Zuhörer. Vor dem Altar mit dem großen Holzkreuz und der Bibel liest sie den Psalm 24 vor, interpretiert den Bibeltext: „Machet die Tor weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.“ Die Exegese fällt diesmal kurz und knapp aus. Dann geht die Kollekte durch die Reihen. Im Klingelbeutel klingen die Münzen. „Ein Drittel des Geldes geht an „Brot für die Welt““, kündigt Pfarrerin an. „Und zwei Drittel des Geldes ist für die Renovierung unseres Gemeindehauses bestimmt.“ Damit sind hier alle einverstanden. Nach einem weiteren Gebet und dem „Vater unser“ der Klassiker unter den Weihnachtsliedern: Alle schmettern beseelt „O du Fröhliche“. Die Bläser spielen „We wish you a Merry Christmas“. Nach nur 50 Minuten strömen die kleinen und großen Christen dem Ausgang zu, tanken Wärme in Form von Kakao und Glühwein.