Wer heute ein paar Socken, einen Satz Feinripp-Unterwäsche, einen Pullover oder ein Hemd seinem Liebsten oder seiner Holden zu Weihnachten schenkt, der erntet - wenn es sich nicht um Designer- oder sonstige exklusive Ware handelt - bestenfalls ein müdes Lächeln.

Vor 100 Jahren aber war es ganz normal, Alltagskleidung auf den Gabentisch zu leben. Jedenfalls in den normalen Arbeiterfamilien. Zwischen 150 und 200 Reichs­mark verdiente man Anfang des 20. Jahrhunderts im gerade (in­offiziell) Großstadt gewordenen Hamborn. Da ließen sich keine großen Sprünge ma­chen. Man musste sich be­scheiden, schenkte sich also vor allem Dinge fürs tägliche Leben, in erster Linie Be­kleidung. Hausmädchen etwa, die in betuchteren Familien ar­beiteten und oft auch lebten, bekamen in der Regel nur eine neue Schürze - das war’s.

Niemand wäre auf die Idee gekommen, sich über die im Grunde jedes Jahr gleichen Prä­sente vom Christkind zu beklagen. Nicht einmal die Kin­der, die meist auch nur Kleinigkeiten neben der Kleidung erhielten. Mal gab es neue Kleidchen für die Puppe (in wohlhabenden Familien hat­ten die Mädchen allerdings schon die noch heute berühmten Käthe-Kruse-Puppen), mal ein Stofftier. Auch Malbücher waren beliebt. Und Schlitten. Oder Puppenwagen und -häuser sowie Kaufmannsläden im Miniformat. Später, als es auch den Arbeiterfamilien wirtschaftlich besser ging, kamen für die Jungen Stabilbaukästen hinzu. Das waren Bastelmaterialien aus Metall, mit Schrauben und allerlei technischem Zubehör, aus denen man Seilbahnen, Autos, Kräne etc. bauen konnte. Normal allerdings waren nur Holzklötze zum Bauen von Häusern, Türmen und Fantasiegebäuden.

Die Luxusversion - hauptsächlich in reicheren Familien auf dem Gabentisch - waren Steinbaukästen. Echte kleine Steine im Format wie heutige Dominosteine enthielt er. Da­mit konnte man sogar Mini-Luxusvillen nach beigelegten Bauplänen hochziehen. Da glänzten die Augen.

Erwachsene schenkten sich auch gerne noch zusätzlich Bü­cher. Damals wie heute war die Vorweihnachtszeit die um­satzstärkste im Buchhandel. Aber auch beim Kauf von Bü­chern zählte der Nutzwert.

So waren gerade Kochbücher aus Leipzig be­sonders begehrt. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte Wilhelmine Scheibler ein „Allgemeines Kochbuch für alle Stände“ herausgegeben, das reißenden Absatz gefunden hatte. Das be­rühmteste Werk aber sollte erst 1910 erscheinen: Ein „Praktisches Kochbuch“ für die gutbürgerliche, deutsche Küche von Mary Hahn mit 2500 Rezepten auf 700 Seiten. Im Antiquariat sind beide Standardwerke noch heute übers Internet zu haben.

Bei den oberen Zehntausend indes war es bei Erwachsenen auch durchaus schon üblich, sich Schmuck zu schenken. Oder Geldscheine, die durch Gold gedeckt waren und für die man bei der Reichsbank in Berlin eine festgelegte Menge des Edelmetalls erhielt. In solchen Familien wurden auch die Kinder reichhaltiger bedacht. Märklin-Eisenbahnen waren dort der Renner. Besonders zu erwähnen sei eine Lok, die mit Spiritus-Antrieb fuhr. Wegen der Brandgefahr (wenn sie aus den Schienen kippte, lief der brennende Spiritus aus) durfte sie aber nur in Anwesenheit von Vater oder Mutter benutzt werden.

Das Weihnachtsfest feierte man grundsätzlich zu Hause, unterm mit Kerzen und La­metta geschmückten Tannenbaum. Es war undenkbar, es nicht mit der Familie zu begehen. Deshalb waren alle Lokale geschlossen.

Sämtliche be­trieblichen Weihnachtsfeiern oder Feste im Freundeskreis fanden bereits vor Heiligabend statt. Auf den Tisch ka­men bei diesen Familienfeiern die feinsten Speisen, die man sich leisten konnte. Bei Bergarbeitern war das meist Stallhase, bei der feineren Gesellschaft gab es Spargel und Ra­gout Fin in Pasteten - Speisen, die aus der noblen französischen Küche übernommen wor­den waren.