Während Evonik Steag in Walsum mit undichten Schweißnähten des neuen Blocks 10 hadert, jährt sich etwa fünf Kilometer nördlich der Start des Voerder Stromfabrik-Komplexes gleich zweifach.
1970, also vor 40 Jahren wurde der Block 1 des Kraftwerks West der Steag in Betrieb genommen, ein Jahr später der Block 2.
Zweimal 350 Megawatt gingen ans Netz. Vor 25 Jahren, 1985, folgte die Inbetriebnahme der vorerst letzten Einheit der mit Steinkohle betriebenen Elektrizitätserzeugung, der Block B des Kraftwerks Voerde; drei Jahre zuvor war Block A eingeschaltet worden. Jeweils 710 Megawatt Leistung kamen hinzu, deren Vermarktung sich Steag (75 Prozent) und RWE (25 %) seitdem teilen.
Wirklich gefeiert wird wohl keines der beiden Jubiläen. Dafür macht Evonik Steag heutzutage mit einem weiteren Aufreger-Thema von sich reden, der Planung des so genannten „Südhafens“ für die immer wichtiger werdende Importkohle. Genehmigungstechnisch steckt der Kohlehafen, der längst eine Bürgerinitiative auf den Plan gerufen hat, noch in den Kinderschuhen. Selbst bei Evonik rechnet man „frühestens im Jahr 2013“ mit einem Baubeginn.
In weite Ferne gerückt ist hingegen wohl der Neubau eines Kraftwerks auf dem Gelände nördlich der bestehenden Anlagen. Wie Evonik-Sprecherin Dr. Edda Schulze erklärte, „gibt es derzeit keine Planungen zu einem Ersatz“ der Uralt-Blöcke West 1 und 2. Dennoch: „Aus technischen Gründen wird Evonik natürlich irgendwann über einen Ersatz dieser Kraftwerksleistung nachdenken müssen, um den Standort langfristig zu sichern und in seiner Effizienz weiterzuentwickeln“.
Vor mehr als vier Jahrzehnten ging schon die Planung des Kraftwerks West nicht ohne Proteste ab. Doch deutlich mehr „zur Sache“ ging es Mitte der 1970-er Jahre, im Vorfeld des Projektes „Kraftwerk Voerde A und B“. Eine von Steag und RWE 1975 gegründete Gesellschaft, die vereinte Stromlobby und Politiker bis hinauf in die Bundesregierung trieben die Planungen voran; sie wurden aber durch den Dinslakener Ingenieur Hans Bassfeld, Mitbegründer der „Aktionsgemeinschaft gegen gefährliche Industrieansiedlung“ ausgebremst.
In mehreren gerichtlichen Instanzen erwirkte er einen Baustopp. Die Richter gaben ihm Recht: Der Ausbau des Kraftwerksgiganten belaste die Umwelt mehr als erlaubt mit giftigem Schwefeldioxid. „Spiegel“ und „Die Zeit“ berichteten darüber; für Günter Wallraff war es Stoff für sein Buch „Was wollt ihr denn, ihr lebt ja noch“. Erst vor dem Bundesverwaltungsgericht unterlag der auch von Bergarbeitern persönlich angefeindete Umweltschützer Bassfeld 1978. Der Baustopp wurde aufgehoben.
Das blieb nicht ohne Folgen für die Bauherren: Die so genannte „Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ (TA Luft) musste nachgebessert werden. Zumindest ein kleiner Erfolg für den Umweltschutz, der allerdings die Baukosten um 600 Millionen auf 1,8 Milliarden Mark hochtrieb. Die neuen Blöcke Voerde A und B wurden mit Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA) ausgestattet; die älteren Kraftwerksblöcke West 1 und 2 wurden 1987 nachgerüstet und 1989 auch mit Stickstoffminderungsanlagen versehen.
Dass das auch mehr Strom-Ausstoß bewirken kann, zeigte die Teilerneuerung der REA nebst neuem Kamin in 2005: Damit und durch weitere Maßnahmen konnte die installierte Leistung des Komplexes um 114 auf 2234 Megawatt gesteigert werden.
Die nutzbare Stromabgabe liegt bei rund 11 000 Gigawattstunden im Jahr, was den Bedarf von etwa drei Millionen Haushalten deckt. Dafür müssen allerdings fast drei Millionen Tonnen Kohle verfeuert werden. Die Opposition gegen Strom aus Steinkohle ist ungebrochen. Zuletzt 2007 bescheinigte eine Studie des WWF, dass die Voerder Anlagen zu den „30 dreckigsten in Deutschland“ zählen, was den Ausstoß von CO2 angeht.