„Ehre“ - gerade wir Deutschen wissen, wer wie und wann Schindluder mit diesem Begriff trieb. Mit fatalen Folgen.
70, 80 Jahre ist das erst her. Nicht ohne Grund hat sich daher bei uns nach dem Krieg der Begriff „Respekt“ statt „Ehre“ etabliert. Mit den Zuwanderern kam der Begriff „Ehre“ zurück nach Deutschland – gemeint ist diesmal die Ehre der Familie. Doch in vielen Familien mit Migrationshintergrund gilt die Ehre nur für Männer, weniger für Frauen. Zwangsheirat, Kontrolle und Unterordnung bestimmen hier den Alltag gerade junger Frauen. Das soll sich jetzt ändern, zumindest in Neumühl. Darum startet das Jugendzentrum Café Einstein das Projekt „Ehre“ für 16- bis 20-jährige junge Männer. „Das ist unsere Zielgruppe“, sagt Susanne Lohaus, Vorstandsmitglied des freien Trägervereins „Offene Jugendarbeit e. V.“, der das Café Einstein betreibt. „Wir wollen Jungs aus dem Stadtteil ansprechen, die ein Vorbild für all diejenigen sein wollen, die mit Themen wie Gleichberechtigung, Kultur und Menschenrechten Problem ein haben.“
Die Finanzierung des Projektes ist gesichert. Im Herbst geht es im Café Einstein an der Fiskusstraße/Ecke Albert-Einstein-Straße los. Dann sollen die Jugendlichen aus dem Stadtteil zur Auseinandersetzung mit den emanzipatorische Themen Gleichberechtigung, Kultur und Menschenrechte motiviert und gewonnen werden, eine echte Pionierarbeit. Unterstützt und begleitet werden sie von einem Gruppenleiter und einer Honorarkraft. Zumindest einer von ihnen soll eine türkische oder eine arabische Familiengeschichte haben.
Bei der bis zu viermonatigen Ausbildung stehen Rollenspiele und Gesprächsführung im Mittelpunkt. Die jungen Männer sollen dabei ihre Rolle im Gefüge einer Migrantenfamilie reflektieren – und notfalls ändern.
Im zweiten Schritt sollen die ausgebildeten jungen Männer ihre Erfahrungen und ihr verändertes Bewusstsein nach Außen tragen: In Schulen, Jugendtreffs und Jugendfreizeitheimen der Region. Dort sollen sie als Rollenvorbilder und Multiplikatoren Vorträge für Schüler, Lehrer, Eltern und Sozialarbeiter anbieten.
„Wir leben in einer Gesellschaft, in der Heranwachsende mit Migrationshintergrund unterschiedlichen Erwartungen genügen müssen“ erläutert Susanne Lohaus die Zielsetzung. „Die Jugendlichen befinden sich zwischen den Traditionen, dem kulturellen und sozialen Hintergrund ihrer Eltern und den Werten und Anforderungen der deutschen Gesellschaft, in der sie leben.“ Dies konfrontiere sie mit Widersprüchen, die es ihnen schwer machen, sich zum Beispiel mit Ausgrenzung oder Arbeitslosigkeit erfolgreich und ohne Aggressionen auseinander zu setzen.
„Patriarchale Strukturen haben in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung. Sie hindern Jugendliche beiderlei Geschlechts an der freien Entwicklung ihrer Persönlichkeit und schränken ihre Lebensentwürfe ein.“ Was Susanne Lohaus meint: Mädchen und Frauen werden in schwache Positionen, in die Opferrolle gedrängt. Das führt u.a. zu Zwangsheirat, Kontrolle, Unterordnung.
Aber auch Jungen geraten unter empfindlichen Duck. Oft müssen sie den Ehrenkodex der Familien durchsetzen und Ehen arrangieren. Das Projekt soll ihnen Alternativen anbieten.