Die Walsumer Eheleute Bettina und Mario Piva bauen ihren alten Bahnhof um. Für Ferien bleibt da keine Zeit, wohl aber fürs Relaxen auf „Terrassien“.

Wer ein altes, marodes, und obendrein noch denkmalgeschütztes Haus gekauft hat und sich selbst um die Sanierung, Renovierung und Modernisierung kümmert, für den ist „Wegfahren“ ein Fremdwort. Viel weiter als bis zum nächsten Baumarkt kommen Bettina und Mario Piva aus Walsum seit Monaten jedenfalls nicht.

Sie werkeln seit rund zwei Jahren Tag für Tag an ihrem „Alten Bahnhof“ an der Römerstraße 251, die wenige Freizeit verbringen sie auf „Terrassien“ am Bahngleis. Trotz der rissigen Hände, der brennenden Augen und des ständigen Staubs lassen sie sich die gute Laune nicht verderben. Und tragen ihr selbstgewähltes Schicksal mit Humor. „Wat soll ich wegfahren, ist doch wie Urlaub hier“, sagt die 50-Jährige.

Gießt sich auf der von knie- bis meterhohem Unkraut, Pardon Wildkräutern umgebenen Dachterrasse hinterm Haus einen Kaffee ein. Stellt die Tasse auf den Tapeziertisch, setzt sich auf die angegraute Plastikbank, legt die Füße auf einen grünen Plastikstuhl, lehnt sich zurück, atmet einmal tief durch und blinzelt in die Sonne. „Ach“, sagt sie, „wat will man mehr?“ Und schiebt gleich einen flotten Spruch hinterher: „Unten, in der alten Bahnhofshalle, da hängt noch ein Schild mit den alten Fernverbindungen. „Nach Athen um neunzehn Uhr zehn“, sagt sie, und schmunzelt, dass sich das sogar reimt. Solche Züge halten dort schon lange nicht mehr, wohl aber rattern gelegentlich Güterwaggons vorbei.

Tagsüber gönnt sie sich dort auch schon mal ein Päuschen im Liegestuhl. Ihrer knackigen Bräune nach dürfte es auch das eine oder andere mehr sein. „Bis mein Mann mich wieder ranpfeift, weil er Hilfe braucht“, lacht die Frohnatur.

Abends und am Wochenende genießen die Pivas die Ruhe am Bahndamm. Schauen den Libellen zu, wie sie über das hohe Gras schweben und werfen den Grill an. Das ist die Zeit, wenn die Fledermäuse rauskommen und Jagd auf Mücken und Co machen. „Ich spiel’ mit denen“, sagt die Walsumerin. Wie das? „Ich werfe kleine Steinchen hoch, und schon stürzen sich die Fledermäuse drauf“.

Wenn’s dann endlich dunkel wird, verwandelt sich das lauschige Plätzchen in ein romantisches Örtchen. Grillen zirpen noch ein wenig und Tausende Glühwürmchen schwirren umher. „Das ist vielleicht ein Spektakel“, sagt Bettina Piva. Wie tanzende Sterne, nur eben nicht am Himmel, sondern auf Augenhöhe.

Die Wirklichkeit holt sie spätestens dann ein, wenn sie sich wieder in Richtung Haus dreht. Eimer voll Schutt warten da auf sie, gefüllte Müllsäcke, Zementsäcke, Werkzeuge, und, und und. Eine graue Welt. Aber selbst die machen sich die Eheleute ein wenig bunt: Mit Sonnen, die an die Wände gesprüht sind.

An echten Urlaub ist einfach nicht zu denken. Dafür reicht das Geld nicht. „Jeder Cent, den ich verdiene, wird gleich wieder ins Haus gesteckt“, sagt Mario Piva.

Was nicht heißt, dass er Trübsal bläst. Nach getaner Arbeit und an den Wochenenden kommen die fleißigen Helfer mit ihren Familien zu Besuch. Dann wird gefeiert, wie auf einem Campingplatz.

Alles ist auf der Baustelle halt etwas einfacher, nichts ist perfekt. Dafür ist die Stimmung gut. Wie im Urlaub, irgendwo im Süden, und das in diesem Falle buchstäblich vor der Haustür.