Rund 1500 defekte Schweißnähte im neuen Walsumer Kraftwerkblock 10 müssen repariert werden. Erst dann kann die Anlage langsam hochgefahren und weiter getestet werden. Das gab Betreiber Evonik-Steag am Dienstagabend bekannt.
Im Herzstück der Anlage, dem Heizkessel, waren die Undichtigkeiten Ende März dieses Jahres aufgefallen. Die Fachleute staunten, denn die Abnahme des Kessels durch den TÜV am 2. Juli vergangenen Jahres war ohne Probleme verlaufen. Deshalb konnte man sich die Undichtigkeiten nicht erklären und beauftragte fünf Materialprüflabore mit der Fehlersuche.
Die haben gut zwei Monate lang die insgesamt 450 Kilometer langen Rohrleitungen u.a. mit Röntgentechnik untersucht und festgestellt, dass die Schäden a) tatsächlich neu und b) nur in den Bereichen aufgetreten waren, die mit einer Spezialflüssigkeit nach der Endmontage innen gereinigt worden waren.
Inzwischen hat die Reparatur begonnen: Statt die undichten Schweißnähte zu flicken (Fachleute sagen dazu salopp „über-“, oder „zubraten“) wählt Evonik die einzige zulässige Methode: „Wir tauschen die defekten Teile komplett aus“, sagt der Leiter des Walsumer Heizkraftwerks, Rainer Borgmann. Denn: „Alles andere wäre Murks.“
Den kann und will sich Evonik nicht leisten. Obwohl dieses Kraftwerk, wenn es nach der Reparatur mit einem halben Jahr Verspätung (Anfang 2011) ans Netz geht, „das modernste und effektivste Kohlekraftwerk Europas ist“, steht es im Kreuzfeuer der Kritik. Insbesondere die Grünen in Walsum können und wollen sich nicht mit dem Neubau anfreunden: „Das Kraftwerk produziert mit dem neuen Block im Jahr 3,8 Millionen Tonnen CO2“, ärgert sich der Grünen-Fraktionschef aus Walsum, Franz Tews. „Bei 14 Millionen Tonnen, die in Duisburg insgesamt in die Luft geblasen werden.“
Was Evonik die Reparatur kostet, wie der Betriebsausfall zu Buche schlägt, wer für die Kosten aufkommt - dazu sagt das Energieunternehmen nichts: „Kein Kommentar“, lautet die knappe Antwort von Edda Schulze, Pressesprecherin von Evonik. In Fachkreisen wird von Schäden in Millionenhöhe gesprochen.
Der Grundstein für den neuen Kraftwerkblock wurde im November 2006 gelegt. Fortan lief auf der Baustelle, trotz Pleite eines Bauunternehmens und oft schlechten Wetters nach Firmenangabe alles wie am Schnürchen. Die Bauwerke entstanden in Rekordzeit, Unfälle gab es kaum, die behördlichen Genehmigungen kamen stets termingerecht.
Verstummt ist die Kritik an dem Kraftwerk aber nie: Als die Erweiterungspläne bekannt wurden, gingen Anwohner auf die Straße, später hingen Protestplakate am Bauzaun und noch heute treffen sich dort Gegner der „Steinzeittechnik“, wie sie von Befürwortern erneuerbarer Energie genannt wird.