„Zeitzeugen sind die besten Geschichtslehrer“. Dieses Zitat von Steven Spielberg konnten die Schülerinnen und Schüler der 8. bis 10. Jahrgangsstufe des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums in Marxloh nur bestätigen. Gespannt lauschten die jungen Leute Sally Perel, der seine außergewöhnliche Lebensgeschichte erzählte.
Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 in Deutschland musste er mit seiner Familie die Heimat in Niedersachsen verlassen. Es folgten ein paar weitere glückliche Jahre in der polnischen Stadt Lodz. Mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen floh Sally Perel zusammen mit seinem älteren Bruder in Richtung Ostpolen, das schon von der Roten Armee besetzt war.
Dort kam er in einem Waisenhaus unter. Aber auch dort konnte er nicht lange bleiben. Schlussendlich fiel Perel in die Hände der Wehrmacht. „In diesem kritischsten Moment meines Lebens hörte ich die innere Stimme meiner Mutter“, erinnert sich der Mann, der als Hitlerjunge Salomon bekannt wurde. Bei dem endgültigen Abschied von seiner Mutter in Lodz - sie kam im Konzentrationslager um - sagte sie Sally: „Du sollst leben!.“ Und diese Worte gaben dem 16-jährigen Knaben die Kraft, für sein Überleben zu lügen. Er ließ seine Papiere verschwinden und gab sich als Volksdeutscher aus. Aus Sally Perel wurde der Hitlerjunge Josef Perjell.
So verbrachte der einzige Jude in der Hitlerjugend (HJ) vier Jahre als Übersetzer in der deutschen Armee, an einer HJ-Schule in Braunschweig und später erneut als Soldat. „Für mich waren es keine vier Jahre, sondern vier Ewigkeiten“, erzählt Sally Perel.
Den Schülern sah man ihre Betroffenheit an den Gesichtern an. Einige schlugen die Hände über den Kopf, andere bekamen feuchte Augen und wieder andere spielten nervös mit den Fingern. Die abenteuerliche Geschichte des heute 85-Jährigen bewegte die Gemüter.
Der innere Konflikt, der noch heute in Sally Perel tobt, war in der ganzen Aula spürbar. „Ich habe mich nicht nur als Hitlerjunge verkleidet, sondern ich wurde zum Hitlerjungen“ gestand Perel, der heute in Israel lebt. Verbrechen im Namen der Nazi-Ideologie hat er nicht begangenen, aber durch die Propaganda ließ er sich dennoch beeinflussen. Er glaubte an den Endsieg des Deutschen Reiches. Aber nur so konnte er den Massenmord an seinem Volk überleben. Schuldgefühle plagen ihn noch immer. So erzählte er den Schülern auch von seinem Besuch in Auschwitz, wo er die aufgetürmten Schuhe der im KZ verbrannten Kinder sah. „Ich höre immer öfter die Schreie dieser Kinder aus der Asche“.
Aber Perel ist niemand, der die Dinge einseitig betrachtet: von Menschlichkeit und Liebe wusste er ebenso zu berichten. Den Zeigefinger erhob er dabei nie, denn er will dem deutschen Volk keine Schuld zuweisen, sondern nur auf die Geschichte aufmerksam machen, der er sein Leben verdankt. Immer wieder kommen Schüler zu ihm, die sich für die Verbrechen der Nazis bei ihm entschuldigen wollen. „Ich verzeihe nicht, weil ich der deutschen Jugend nichts zu verzeihen habe. Schuld kann niemand erben“, sagt der ehemalige Hitlerjunge. Von so viel Mut und Courage waren die Jugendlichen schwer beeindruckt. Mit stehenden Ovationen zollten sie Sally Perel Respekt und Anerkennung für seine aufklärerische Mission, die ihn seit Jahren an deutsche Schulen führt.