Duisburg-Hamborn. Şilan kommt aus dem Duisburger Norden, nimmt alle Hürden, erfüllt sich ihren Traum. Wie das geklappt hat, erzählt sie in der WDR-Doku Hard Life.

Für Şilan steht schon in der fünften Klasse fest: Sie will Ärztin werden. Und die heute 22-Jährige beweist, dass es möglich ist, diesen Traum zu leben. Gegen alle Widerstände, die man überwinden muss, wenn man ein Kind kurdischer Immigranten ist. Im Duisburger Norden aufwächst. Schon als kleines Kind erlebt, dass sich die Eltern in ihrer Schneiderei fast rund um die Uhr krumm arbeiten. Prekäre Verhältnisse, sagt Şilan selbst.

Ein Kamerateam des WDR hat die Duisburgerin für die dritte Staffel der Doku-Reihe „Hard Life“ im Alltag begleitet. Das Format erzählt von jungen Menschen, die mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, aber daran hart arbeiten, ihre Ziele verfolgen.

Şilan hat auf dem Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Marxloh ihr Abitur gemacht. Für ihre Eltern war es nie eine Frage, dass beide Kinder – Şilan hat noch einen älteren Bruder – diesen Weg gehen. „Sie wussten nicht so genau, welche Unterschiede es bei den Schulformen gibt. Sie haben gehört, das Gymnasium sei die beste, also war klar, dass wir da hingehen“, berichtet die Studentin.

„Nur blonde Köpfe im Hörsaal“: Duisburgerin Şilan erlebt großen Kulturschock im Studium

Im Studium dann der „große Kulturschock“. Şilan geht an die RWTH Aachen. „Da kommst du in den Hörsaal und siehst nur blonde Köpfe. Plötzlich war ich die Außenseiterin.“ Schnell stellt die junge Duisburgerin fest: „Die meisten meiner Kommilitonen kommen aus einer Ärzte- oder zumindest Akademikerfamilie.“

Schon als als Fünftklässlerin wollte Silan aus Duisburg Ärztin werden. Nach dem Abitur in Marxloh erlebt sie im Studium an der RWTH Aachen einen „großen Kulturschock“.
Schon als als Fünftklässlerin wollte Silan aus Duisburg Ärztin werden. Nach dem Abitur in Marxloh erlebt sie im Studium an der RWTH Aachen einen „großen Kulturschock“. © WDR | Markus Luigs

Während Şilan sich mit Bafög und Nebenjobs nur mit Mühe eine kleine Wohnung und selten Restaurantbesuche leisten kann, wohnen manche ihrer Mitstudenten in großen Wohnungen. „Einige haben sogar von ihren Eltern ein Einfamilienhaus bekommen. Da leben sie allein oder in einer WG mit Freunden.“ Sie hätten aber auch andere Privilegien: „Sie müssen sich nicht um ein Praktikum bewerben, sondern kommen über Beziehungen dran.“ Und lernten quasi von Geburt an, wie das Prinzip eines akademischen Lebens funktioniert.

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„Viele sind verblüfft, dass jemand aus Marxloh hier in Aachen studiert“, erzählt Şilan. Und: „Anfangs hatte ich das Gefühl, dass ich mich anpassen muss.“ Zum Beispiel wilde Partys mit viel Alkohol feiern muss. Aber das ist nicht ihr Ding. Inzwischen hat sie die Erkenntnis gewonnen: „Ich pass hier einfach nicht hin.“ Damit kann sie gut leben. Şilan hat eine gute Freundin gewonnen und ihren Freund an der Hochschule kennengelernt: „Er ist Aachener und hat vieles für mich leichter gemacht.“

Şilan vermisst in Aachen die Warmherzigkeit der Menschen im Ruhrgebiet. Sie kommt gerne nach Hause zu Freunden und Familie. Überall hin hat das Kamerateam sie begleitet: in den Hörsaal, die Uniklinik, die elterliche Wohnung in Alt-Hamborn, in den Landschaftspark Nord. „Anfangs war ich ganz schön aufgeregt, aber nach ein paar Stunden habe ich die Kamera nicht mehr bemerkt“, erzählt Şilan von den Dreharbeiten. Insgesamt neun Tage haben die gedauert.

Ziele erreichbar trotz schwieriger Herkunft: „Man kann studieren, auch wenn man aus Marxloh kommt“

Şilan sagt, sie habe bei der Dokumentationsreihe mitgemacht, um auf die Ungleichheit aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass man es trotz schwieriger Herkunft schaffen kann, seine Ziele zu erreichen. „Es stimmt eben einfach nicht, dass jeder seines Glückes Schmied ist“, sagt Şilan. Viele ihrer Bekannten würden Ähnliches durchmachen. „Mir ist wichtig zu zeigen, dass ich eine von vielen repräsentiere. Und ich möchte ein Vorbild dafür sein, dass man studieren kann, auch wenn man aus Marxloh kommt.“

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Um andere Kids zu motivieren, engagiert Şilan sich mit Freunden an ihrer alten Schule, dem Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium. Sie gehen in die Abschlussklassen und erzählen, wie das läuft mit dem Studium. Wie komme ich an eine Wohnung? Wie an Bafög? Worauf kommt es bei verschiedenen Studiengängen an? „Diese Basisinformationen haben mir total gefehlt.“ Mit ihrem Angebot rennen die Studenten offene Türen ein: „Die Nachfrage ist total groß und die Schüler löchern uns mit ihren Fragen.“

Nach dem Studium will Şilan nicht mehr zurück nach Duisburg. Aber in der Nähe bleiben. Stand jetzt überlegen ihr Freund und sie, nach Düsseldorf zu ziehen.

>> Neue Staffel von „Hard Life“ ist ab 31. August in der ARD-Mediathek

● Şilan ist nicht die einzige Protagonistin der dritten Staffel von „Hard Life“. Es geht auch um Fritte, der Drogen nimmt, seit er 14 Jahre alt ist. Seine Sucht hat ihn seinen Ausbildungsplatz gekostet. Die dritte im Bunde, Zillow, will Karriere im Mode- und Beauty-Business machen. Der Weg ist steinig. Sie ist schwarz und muss gegen Klischees kämpfen.

● Die dritte Staffel von „Hard Life“ ist ab Donnerstag, 31. August, in der ARD-Mediathek zu sehen. Sie widmet jeder der drei Geschichten rund 30 Minuten. Einen Sendetermin fürs Fernsehen gibt es noch nicht.