Duisburg. Pfarrer Tijmen Aukes gehörte zur Gemeinde Ruhrort-Beeck. Seinen Abschied konnte nicht feiern. Dem interreligiösem Dialog bleibt er verbunden.

Die Einladungskarten für den Abschiedsgottesdienst mit Empfang waren schon verschickt. „Vorne stand ‚Alles hat seine Zeit‘ drauf, eigentlich ein sehr passendes Motto“, erzählt Pfarrer Tijmen Aukes, der neuerdings im Ruhestand ist. Dies wollte er eigentlich mit der gesamten Evangelischen Gemeinde Ruhrort-Beeck feiern. Doch dann kam die Corona-Pandemie und es wurde klar, dass jetzt nicht die Zeit für große Menschenansammlungen ist.

Also verschickte die Gemeinde schnell eine schriftliche Absage hinterher und Tijmen Aukes hing am Telefon, um möglichst viele potentielle Gäste persönlich zu informieren. Keine Grußworte, keine Lobeshymnen, keine Abschiedsreden. Der gebürtige Niederländer aus Amsterdam kommt damit aber ganz gut zurecht, groß im Mittelpunkt zu stehen ist ohnehin nie seine Sache gewesen.

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Aukes war mit einem Teil seiner Pfarrstelle an die Gemeinde Ruhrort-Beeck angebunden, wo er sich vor allem um die Alten im Laarer Wohndorf und im Ruhrorter Wortmannstift kümmerte. Und er arbeitete mit seinem Pfarrkollegen Sören Asmus zusammen im Kirchenkreis-Referat für interreligiösen und interkulturellen Dialog.

Die Kirchengemeinde lobt seine Neugier und Offenheit

„Mir wird seine Neugier sehr fehlen“, sagt Asmus, „kaum hörten wir aus den fremdsprachigen Gemeinden von einer neuen afrikanischen Gruppe, dann war er auch schon unterwegs, um sich das mal persönlich anzugucken.“ Dabei erlebte Tijmen Aukes unzählige höchst unterschiedliche Arten von christlicher Frömmigkeit. Wenn in einem Gottesdienst allerdings sehr viel um den Schutz vor bösen Geistern gebetet wurde, dann war das schon befremdlich für ihn als Pfarrer aus einer eher vernunftbetonten Glaubenstradition. Trotz großer Unterschiede mit möglichst vielen Gruppen und Gemeinden im Gespräch zu bleiben, das ist eine Kunst, die der zurückhaltende Aukes gut beherrscht.

Der Niederländer Tjimen Aukes (2. von links) setze sich sehr für den interreligiösen Dialog ein, hier mit Protestanten, Katholiken und Moslems beim Gedenken an die Opfer des Attentats in Hanau und an alle Opfer von Fremdenhass.
Der Niederländer Tjimen Aukes (2. von links) setze sich sehr für den interreligiösen Dialog ein, hier mit Protestanten, Katholiken und Moslems beim Gedenken an die Opfer des Attentats in Hanau und an alle Opfer von Fremdenhass. © STEFAN AREND

Dabei ist er schon ein Freund klarer Worte. „Diese öffentlichen Statements, zum Beispiel nach dem Amoklauf in Hanau, mit den immer gleichen Formeln der Betroffenheit, da muss man schon sehr aufpassen, dass man nicht in die Inhaltsleere abrutscht“, sagt er nachdenklich.

Engagierter Einsatz für den interreligiösen Dialog

Besonders ertragreich findet er die Gespräche im interreligiösen Dialog, wo Menschen im kleinen Kreis miteinander in echte Gespräche über ihren Alltag kommen. „Für das ganz alltägliche Miteinander gibt es bei uns leider keine große Tradition“, sagt er. Deshalb wird er den Gesprächskreisen zwischen den Religionen auch über seine Pensionierung hinaus weiter mit seiner persönlichen Mischung aus Nüchternheit und Hoffnungsfreude verbunden bleiben. „Nicht immer kommt überhaupt ein Gespräch zustande“, sagt er und wechselt einen amüsierten Blick mit seinem früheren Kollegen Sören Asmus, der die Geschichte schon kennt: So hat er manchmal im Wohndorf an einer Apartmenttüre geklingelt und über die Sprechanlage gesagt, er sei der Gemeindepfarrer und würde gerne zum runden Geburtstag gratulieren. „Oh, Dankeschön“, tönte es zwar höflich aus dem Lautsprecher – aber die Tür blieb zu. „Dann guckt man doch etwas dumm aus der Wäsche“, gesteht Aukes und lacht herzlich.

Bemüht ums Zusammenleben der Kulturen und Religionen

Pfarrer Tijmen Aukes hat besonders viel für das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen in Duisburg unternommen.

Höhepunkte in der von ihm angestrebten Vernetzung der Religionsgemeinschaften waren die interreligiösen Friedengebete, die seit 2015 stattfinden. „In Gegenwart von Gläubigen verwandter Religionen wenden wir uns an den einen Gott“, sagte der evangelische Geistliche 2015 vor mehr als 100 Betenden aller großen Religionen in der Merkez-Moschee in Marxloh.

Im Moment bleiben die Türen der Altenheime natürlich auch geschlossen, aber nicht weil die Bewohner es so wollen. Dennoch bringt Tijmen Aukes den alten Menschen, die in Corona-Quarantäne ohne Besuch und ohne Internetzugang ausharren, Andachtsbriefe vorbei. Diese wurden von den Bewohnern sehr positiv aufgenommen, das wurde ihm ausgerichtet.

Der Priester sieht auch positive Auswirkungen der Coronakrise

Eine positive Auswirkung der Coronarise sieht er im abendlichen ökumenischen Glockengeläut, in das sich auch der Gebetsruf des islamischen Muezzins mischt. „Das kam ja alles auf Bitten der christlichen Gemeinden zustande und geschah in Absprache und Rücksichtnahme aufeinander.“ Selbst gehört hat er den Gebetsruf mit islamischer Beteiligung über den Dächern von Duisburg zwar noch nicht, aber „für mich war das längst überfällig“.

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Den Bedeutungsverlust des Ruhestandes fürchtet Tijmen Aukes übrigens nicht, denn er hat schon sehr unterschiedliche Lebensabschnitte gemeistert. Er studierte Soziologe in den Niederlanden, heiratete eine deutsche Theologin, war Familienmanager in Duisburg und in Italien, wo seine Frau eine Auslandspfarrstelle hatte, studierte später ab 1998 selber Theologie und wurde Pfarrer in Duisburg.

Er wird noch viele Orte finden, wo er mal vorbeischauen kann – nur so aus Neugier.