Duisburg-Walsum. In der Stadthalle Walsum stellen Duisburger Ehrenamtler täglich hunderte Schutzmasken für Krankenhäuser oder Pflegeheime her.

In der Stadthalle Walsum ertönt der Radetzky-Marsch von Johann Strauss. Das Publikum im großen Saal lehnt sich allerdings nicht in die Sessel, sondern beugt sich über bunte Stoffe und Nähmaschinen. Auf den Zuschauerrängen stehen Menschen an Bügelbrettern. Rund 25 Ehrenamtler stellen im Gebäude an der Friedrich-Ebert-Straße – einem von drei Duisburger Nähzentren – täglich Schutzmasken her. Dieses Mal mit musikalischer Unterstützung von Gabriele Kortas-Zens und Juri Dadiani.

Ehrenamtler stellen täglich rund 500 Corona-Schutzmasken her

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Von Fabienne Piepiora und Martin Schroers

In dem Nähzentrum, das die Freiwillige Feuerwehr Walsum seit dem 4. April betreibt, werden pro Tag rund 500 Schutzmasken angefertigt. „Wir stellen Behelfsmasken her“, sagt Sascha Lange von der Freiwilligen Feuerwehr. „Diese darf man aber nicht mit FFP-Masken vergleichen, da es sich nicht um medizinische Produkte handelt.“ Gemeinsam mit Kollege Marcel Pawollek kümmert er sich um den Materialnachschub und die Verpflegung der Helfer. „Wir besorgen doppellagigen Baumwollstoff, Nähgarn und Bänder“, sagt Pawollek. Zudem achten sie darauf, dass nicht zu viele Helfer vor Ort sind und der Abstand eingehalten wird.

An den Tischen und Bügelbrettern schneiden die Ehrenamtler Stoff, nähen und bügeln. „Jetzt wird im Takt genäht“, ruft eine Helferin, als zur Mittagszeit Musik ertönt. Die Klaviereinlage, die als Dankeschön für die vielen Helfer gedacht ist, hat Manuele Schiffhauer initiiert. Während die 58-Jährige ihre Nähmaschine bedient, sagt sie: „Ich kenne die beiden Musiker und habe angefragt, ob sie uns während der Arbeit aufmuntern können.“ Sie freut sich über die hohe Hilfsbereitschaft in Walsum: „Die Helfer, ob jung oder alt, kommen aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Schichten.“ Ihren Mann Günter konnte sie auch schon begeistern – „ich helfe jetzt immer vormittags vor der Arbeit“, sagt der 62-Jährige.

Arbeitsteilung: „Jeder macht das was, er am besten kann“

Gabriele Kortas-Zens spielt zur Unterhaltung der ehrenamtlichen Helfer Musik.
Gabriele Kortas-Zens spielt zur Unterhaltung der ehrenamtlichen Helfer Musik. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Zu den Helfern gehört auch Birsen Güntürk. Die 56-Jährige, die seit über 40 Jahren näht, ist heute für das Annähen der Bänder zuständig. „Nachdem ich von der Aktion erfuhr, habe ich mich bei der zentralen Sammelstelle der Stadt gemeldet“, sagt sie. Bereits am nächsten Tag konnte sie mithelfen: „Seit Sonntag bin ich fast jeden Tag von neun bis 16 Uhr hier.“ Eine Arbeitsteilung sei automatisch entstanden: „Jeder macht das, was er oder sie am besten kann. So sind wir schneller“, sagt sie. Zuerst werden die Stoffe und Bänder zugeschnitten, gebügelt und gemangelt und dann in weiteren Schritten zusammengenäht.

Nur kurz vorbeigeschaut hat Meike aus Obermarxloh, die eigentlich im Home-Office ist. „Heute bin ich schon früher gekommen, sonst komme ich arbeitsbedingt immer erst nachmittags“, sagt die 27-Jährige, die gerade Schrägbänder mangelt. Besonders freut sie, dass die Stadt Duisburg den Aufruf auch über Instagram geschaltet hat: „So bekommen das auch junge Menschen mit.“

Syrer repariert in der Walsumer Stadthalle die Nähmaschinen

Ein paar Tische weiter sitzt Greta Heuser an ihrer Nähmaschine und summt zur Musik. Sie hat bereits zu Hause Masken für eine gynäkologische Praxis genäht und hilft nun täglich in der Stadthalle mit. „Da ich seit zwei Jahren Witwe bin, tut das ganze hier auch meiner Seele unheimlich gut“, sagt die 81-Jährige. Zwischen den Stuhlreihen hinter ihr bügeln Jesse Dibu und Felix Röhl gerade lilafarbenen Stoff. „Wir haben als Gruppe beschlossen mitzumachen“, sagt der Auszubildende Dibu und zeigt auf weitere junge Menschen an den Bügelbrettern. „So kann ich meine Freunde wiedersehen und gleichzeitig anderen Menschen helfen“, ergänzt der 20-jährige Student Röhl.

Für den Fall, dass eine der Nähmaschinen – die von den Helfern mitgebracht werden – nicht mehr läuft, bietet die Freiwillige Feuerwehr einen Reparaturservice an: „Wir wollen ja nicht, dass den Helfern auch noch Kosten dadurch entstehen“, sagt Lange. Darum kümmert sich dann etwa Mustafa Schama, der sich gerade an einem Gerät zu schaffen macht. „Die Privatmaschinen sind nicht dafür ausgelegt, acht Stunden am Stück zu laufen“, erklärt Schama, der mit seiner Familie vor fünf Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen ist. „Ich habe in Syrien bereits in einer Näherei gearbeitet und kenne mich daher mit den Maschinen aus.“

Da seine Weiterbildungsmaßnahme zum Schweißer wegen Corona momentan ausgesetzt ist, engagiert er sich nun täglich in der Stadthalle: „Mir wurde geholfen, in Deutschland anzukommen, also möchte ich jetzt auch helfen“, sagt er. „Ich habe auch meinen Freunden Bescheid gegeben, die aus Syrien stammen“, sagt er und zeigt auf eine Frau, die an einem Bügelbrett steht.

Walsumer Schutzmasken gehen an öffentliche Duisburger Einrichtung

Im Walsumer Nähzentrum hat sich schnell eine klare Arbeitsteilung entwickelt.
Im Walsumer Nähzentrum hat sich schnell eine klare Arbeitsteilung entwickelt. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auch für die Pianisten ist es eine willkommene Abwechslung: „Wir möchten mit unserer Musik die Menschen auch in der Coronazeit glücklich machen“, sagt Juri Dadiani. Da einige Helfer täglich mehr als acht Stunden schneidern, hat die Freiwillige Feuerwehr einen Catering-Service beauftragt. „Morgens gibt es Kaffee, Tee und belegte Brötchen, mittags eine warme Mahlzeit und danach noch Kaffee und Kuchen“, sagt Lange. Gegessen wird allerdings abwechselnd, damit die Maskenproduktion weitergeht und nicht zu viele Menschen gleichzeitig in einem Raum sind. Auch Bezirksbürgermeister Georg Salomon (SPD) findet das ehrenamtliche Engagement ganz besonders: „Bei diesen Menschen kann man sich gar nicht oft genug bedanken.“

Am Ende jedes Produktionstages werden die Masken verpackt und am nächsten Tag von der Feuerwehr abgeholt. „Die Masken gehen dann an öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser oder Altenheime“, sagt Lange. Obwohl man in Walsum mit der Zahl der Helfer sehr zufrieden ist, ermutigt Ehrenamtlerin Petra Schelkens: „Jeder, der eine Schere und ein Bügeleisen bedienen kann, ist herzlich willkommen, gerne auch Männer.“