Duisburg-Hamborn. Die MZD Apotheke wollte Desinfektionsmittel aus einem Tank für 25 Euro pro Liter verkaufen – und erntet einen Shitstorm. Das sagt der Apotheker.

Die Nachfrage nach Händedesinfektionsmitteln ist auch in Hamborn durch die Coronakrise stark gestiegen. Die Mitarbeiter der MZD Apotheke am Altmarkt werden derzeit von vielen Kunden auf diese virentötende Flüssigkeit angesprochen. Inhaber Andreas Rieß schaffte es, einen Tank mit Großvorrat zu besorgen und begann am Samstag, die 1000 Liter abzuverkaufen. Ein Duisburger empfand seine Preise als Wucher und sabotierte den Verkauf. Sein Handyvideo dazu macht jetzt die Runde bei Facebook – und könnte die Zukunft der Apotheke gefährden, beklagt der Apotheker.

„Ich will niemanden abzocken“, sagt Rieß, den die Situation merklich mitnimmt. Pro Liter verlangte er 25 Euro, für kleinere Mengen entsprechend weniger. „Natürlich war es früher billiger. Aber jetzt kriegt man Desinfektionsmittel nicht günstiger“, betont er.

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Um überhaupt an die Ware zu kommen, habe er tagelang herumtelefoniert, bis er endlich aus Frankfurt ein Angebot bekam. Den großen Tank hatte er von einer Spedition per Lastwagen mit verstärkter Hebebühne nach Duisburg bringen lassen, Absperrungen für den Straßenverkauf gemietet und extra zwei zusätzliche Mitarbeiter beauftragt, den Verkauf zu betreuen. Sie haben das Mittel in die mitgebrachten Behälter der Kunden umgefüllt. „Das war für mich ein Nullsummenspiel“, beteuert er, „ich habe kein Geld daran verdient.“

Handyvideo prangert Abzocke von alten Leuten an

Vielmehr wollte Andreas Rieß neben örtlichen Arztpraxen und Pflegediensten auch die Hamborner Bevölkerung versorgt wissen, sagt er. Natürlich habe er gehofft, dass die Aktion ein gutes Licht auf sein Geschäft wirft. Stattdessen habe er einen Shitstorm geerntet und seither stehe sein Telefon kaum mehr still. Und auch in der Apotheke sagen ihm einige Kunden, die er seit 1996 versorgt, offen die Meinung: „Ich werde beschimpft und angepöbelt.“

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Auslöser, da ist er sich sicher, sei das Facebook-Video. „Praxen und Pflegedienste wissen, was Desinfektionsmittel jetzt kostet und fanden meinen Preis angemessen“, so der Apotheker. Sie hätten gut ein Drittel des Vorrats gekauft.

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Dagegen wirft der Urheber des zweieinhalbminütigen Videos der Apotheke vor, mit der Not alter Menschen Reibach machen zu wollen. Danach kommt es – so ist es dort zu hören und zu sehen – zum Streit zwischen dem Mann und einem Kunden, der sich jedoch als Security ausgibt, um den Kritiker zu verscheuchen.

Sein Handyvideo kommentiert der Nutzer in seinem privaten Facebook-Konto so, dass er einige Kunden davon überzeugt habe, dass der Preis Abzocke sei. Er freut sich, dass die Apotheke dadurch „mindestens 300 Euro Verlust“ gemacht habe. 620-mal ist der Film am Montagabend schon geteilt worden.

Verkauf von Desinfektionsmitteln ist nach dem Shitstorm gestoppt

„Ich bin mega-enttäuscht“, sagt Andreas Rieß und sieht in der Facebook-Kampagne Rufmord. Denn er findet, dass ein Literpreis von 25 Euro in der aktuellen Situation, in der die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln hoch und Ware knapp ist, angemessen ist. Zumal im dem großen Tank ein Mittel sei, dass nicht nur von der EU zugelassen sei und Viren abtötet. Zudem sei es nicht brandgefährlich, weil es keinen Alkohol enthalte.

Betroffener kämpft gegen Gerüchte auf Facebook

Apotheker Andreas Rieß sieht sich auf Facebook neben dem Vorwurf des Wuchers auch einigen Gerüchten ausgesetzt. Dort wird etwa behauptet, dass in dem Tank mit 1000 Litern Alkohol sei und dass er Feuer fangen könne. Dem widerspricht der Inhaber, gekauft habe er Mittel ohne Alkohol, das nicht brandgefährlich sei.

Richtigstellen möchte er auch den Vorwurf, die Stadt Duisburg habe ihm den Verkauf verboten. Tatsächlich seien Mitarbeiter des Ordnungsamts nur dort gewesen und hätten ihn angewiesen, den Verkaufsstand vom Bürgersteig auf sein eigenes Gelände zu verlegen. Dem ist er, wie die das Handyvideo zeigt, nachgekommen.

„Aber jetzt habe ich den Shitstorm“, bedauert der Apotheker seine Aktion inzwischen. Da hilft ihm auch nicht, dass ihm einige Facebook-Nutzer zur Seite springen, die seinen Preis fair finden und Angebote für kleine Fläschchen aufführen, die hochgerechnet sogar fast 70 Euro kosten.

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Den offenen Verkauf aus dem Tank hat die MZD Apotheke nach nur einem Tag aufgegeben. Ein Großabnehmer hat den Rest gekauft. Nach dieser Erfahrung wird die Apotheke jedoch den Kundenwünschen besser nicht nachkommen, Mundschutzmasken zu besorgen. Diese könnte Rieß nämlich derzeit auch nur zu einem deutlich höhren Preis als vor der Pandemie einkaufen und anbieten.

Apotheken-Chef bangt um die Zukunft von Geschäft und Mitarbeitern

„Die Coronakrise bringt mich an die Grenze“, sagt Andreas Rieß. Das sei in der gesamten Branche so. Doch er lobt ausdrücklich alle seine Mitarbeiter, die für die Gesundheit der Hamborner tagtäglich zur Arbeit kommen und sich dem Risiko aussetzen, sich selbst mit dem Virus zu infizieren. „Ich will alles tun, damit ich keine Leute entlassen muss“, beteuert der Chef und hofft daher, dass der Shitstorm ihn nicht zu viele Kunden kosten wird.