Duisburg-Wehofen. Anfang der 1900er Jahre wurde die Zechensiedlung Wehofen errichtet. Sie ist entstanden, damit die Kumpel und ihre Familien gut leben konnten.
Ohne den Pütt, da ist sich Helmut Schorsch, Vorsitzender des Heimatvereins Walsum, sicher, gäbe es den Stadtteil Wehofen nicht. Jedenfalls nicht in seiner bestehenden Form. Wehofen ist eine durch und durch typische Zechensiedlung. Mit Häusern, die – um Platz zu sparen – in Gruppen errichtet wurden. Mit Freiflächen, die für die Freizeit und das Ackern auf einer kleinen, eigenen Scholle vorgesehen waren.
Entstanden ist die Siedlung in Folge der Industrialisierung. 1888 hatte August Thyssen beschlossen, eine Zeche in der Bauernschaft zu errichten. Was freilich nicht ohne Probleme über die Bühne ging. Zunächst einmal musste der Unternehmer die Flächen ankaufen. Was sich als schwierig erwies. Nicht jeder Landwirt wollte seine Äcker abgeben. Da ein „freihändiger Ankauf“ scheiterte, leitete Thyssen ein Enteignungsverfahren ein, das am 7. Oktober 1909 zugunsten der Gewerkschaft Deutscher Kaiser ausging. Kurz darauf begannen die Arbeiten am Schacht (Rhein I).
Schwarzes Gold in schlechter Qualität
Die Gestaltungsfibel
In der Gestaltungsfibel Wehofen von 2007 wird haarklein festgelegt, wie die denkmalgeschützten Häuser renoviert und saniert werden müssen.
Ob Fassaden, Dächer, Fenster, Haustüren oder Treppen – für alles gibt es klare Ansagen. Selbst, welche Art von Hausnummer und Briefkästen erlaubt und wie Hecken zu gestalten sind. Das geht manchen Eigentümern zu weit. Aber: Durch die Regeln wirkt alles wie aus einem Guss.
Als der Pütt 1913 mit der Kohlenförderung begann, mussten die Arbeiter zur Schicht anreisen. Zu umständlich, zu zeitraubend war das. Thyssen entschied, unverzüglich mit dem Bau der Siedlung zu beginnen, damit die Bergleute und deren Familien in der Nachbarschaft des Werks leben konnten. 1918 hatte der Pütt 1545 Mitarbeiter. Die Zeche konnte im Umfeld 877 Wohnungen zur Verfügung stellen.
Lange währte der Abbau des Brennstoffs nicht: 1928 wurde die Kohlenförderung eingestellt. Das schwarze Gold hatte eine Qualität, die sich während der Weltwirtschaftskrise nicht oder nur schlecht verkaufen ließ. Sie eignete sich nur zum Verbrennen in Kraftwerken. Trotzdem nahm man die Förderung noch einmal für kurze Zeit wieder auf. Als die Kohlenhalden aber wegen Absatzschwierigkeiten immer weiter in den Himmel wuchsen, folgte 1933 das endgültige Aus.
Nur noch Wasserhaltung über Wehofen abgewickelt
Das Fördergerüst von Schacht 2 wurde noch im selben Jahr beseitigt, 1976 folgte das Gerüst von Schacht 1. Letzteres wurde durch ein kleineres ersetzt, Schacht Wehofen diente aber fortan nur noch als Lüftungsanlage und in kleinem Umfang für den Materialtransport und die Wasserhaltung der unter Tage mit Wehofen verbundenen Anlage 2/5 im heutigen Marxloh.
1993 verschwanden die letzten Reste der Schächte. Als Erinnerungsstücke geblieben sind ein Stück Mauer an der Schachtstraße und die Alte Schmiede.
„In der Schmiede wurden die Pferde für den Pütt beschlagen“, berichtet Helmut Schorsch. Außerdem seien dort Reparaturarbeiten für die Zeche erledigt worden. Er selbst erinnert sich an ein weiteres Überbleibsel, das noch bis zum Schluss in Betrieb war: die alte Förderdampfmaschine.
Kännelkohle war in den 1930er Jahren nicht gefragt
Auch an die Kohle erinnert er sich: „Die taugte nur zum direkten Verfeuern. Und zum Schnitzen.“ Bekanntlich wird Kännelkohle (Candle-Kohle) für Schmuck und Kunstwerke genutzt.
Anders als heute war das Leben in der Zechensiedlung früher wesentlich beschwerlicher. Die Menschen litten Not. So kam es 1905 bereits zu Protestaktionen der Bergleute, die den Minimallohn für Hauer und Lehrhauer auf fünf Mark pro Schicht angehoben wissen wollten. Schlepper sollten 3,50 Mark, Pferdetreiber 2,70 Mark und Tagesarbeiter 3,50 Mark pro Tag bekommen.
Um den sozialen Frieden sicher zu stellen, konnten Familien von Bergleuten im nahe gelegenen Konsum günstiger einkaufen. Und um Geld zu sparen, gab es spezielle Nähkurse für die Frauen der Kumpel, die die Werksfürsorge anbot.
Das schönste Dorf des Ruhrgebiets – diesen Ruf hat Wehofen
Heute gilt Wehofen laut Eigenwerbung als „schönstes Dorf des Ruhrgebiets“. Durch die Kommunale Neuordnung 1975 zählen jetzt auch Teile von Fahrn zu Wehofen, das früher zu Hamborn gehörte. Der Siedlungsgrundriss und etliche Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Seit 2007 gibt es für die Siedlung eine Gestaltungsfibel. In Wehofen leben heute rund 7500 Menschen.