Duisburg-Obermarxloh/Dülmen. . Vor 75 Jahren musste Siegfried Bakiera mit seiner Schwester vor dem Bombenhagel Schutz suchen. Dabei fanden die Obermarxloher Freunde fürs Leben.

Seit 75 Jahren pflegt der heute 85 Jahre alte Hamborner Heimatfreund Siegfried Bakiera Kontakt zu seiner „Kriegsfreundin“ Mia aus der Bauernschaft Empte/Dülmen. Kennengelernt hatten sich die beiden während Siegfrieds Evakuierung im Jahr 1944. Der damals Zehnjährige und seine zweieinhalb Jahre ältere Schwester Aline waren wegen der Luftangriffe auf Duisburg aufs Land gebracht worden.

Es dauerte nicht lange, da hatten sich Freundschaften gebildet. So entstand der Kontakt zu besagter Mia in Empte, die eigentlich Maria hieß, aber von allen nur „die Mia“ genannt wurde, wie Siegfried Bakiera erzählt. „Zu Mia habe ich immer ein wenig aufgeschaut. Sie war nicht nur hübsch, sie war klug und wusste alles. Wir konnten uns blind auf Mia verlassen. Was sie sagte, wurde akzeptiert.“

Kinder sammelten liegengebliebene Munition ein

Die Familie, bei der die Obermarxloher unterkamen.
Die Familie, bei der die Obermarxloher unterkamen. © Archiv Siegfried Bakiera

Die beiden Obermarxloher waren nicht allein nach Empte gekommen. Auch ihr damaliger Schulfreund Manfred aus dem Dichterviertel war dort untergebracht. Gemeinsam mit den Dorfkindern besuchten sie die Schule und verbrachten mit ihnen die Freizeit.

Der Zeitvertreib während der letzten Monate des Zweiten Weltkriegs war allerdings nicht ungefährlich, wie Siegfried Bakiera schildert: Die feindlichen Tiefflieger flogen buchstäblich über ihre Köpfe hinweg und schossen aus allen Rohren auf die Flakstellung, die nur ein paar hundert Meter vom Bauernhaus entfernt stand. Alle Soldaten dort seien gestorben, erinnert sich der Heimatfreund. „Wir klauten dann die liegengebliebene Munition der Maschinengewehre.“

Im Sommer 1945 sind die Obermarxloher zu Fuß von Dülmen nach Hause gelaufen

Mia (Bildmitte) mit anderen Kindern im Jahr 1944.
Mia (Bildmitte) mit anderen Kindern im Jahr 1944. © Archiv Siegfried Bakiera

Selbst Handgranaten packten die Jungen ein. Sie zündeten sie am Karthäuser Mühlenbach, warfen sie ins Wasser und freuten sich, wenn anschließend durch die Druckwelle getötete Fische an der Oberfläche trieben. „Die nahmen wir mit nach Hause zum Essen.“

Im Juni 1945, da war der Krieg in Hamborn seit gut zwei Monaten zu Ende, kehrten die Kinder aus dem Dichterviertel heim. „Wir sind nach Hause gelaufen“, erinnert sich Siegfried Bakiera. Also rund 80 Kilometer. Alle hatten den Krieg unversehrt überlebt.

Der Kontakt nach Dülmen ist nie abgebrochen

Den Kontakt nach Empte und zu dem einstigen Nachbarsmädchen Mia haben Siegfried und seine Schwester bis heute gehalten: „Wir telefonieren regelmäßig miteinander.“ In den 1950er Jahren sind Siegfried und Manfred mit dem Fahrrad gelegentlich dorthin gefahren, in den 1960er Jahren dann mit dem Auto. „Da war ehrliche Wiedersehensfreude zu spüren.“

Der Kontakt zu Manfred indes ist abgebrochen: „Er ist nach Süddeutschland gezogen.“

Informationen zur „Kinderlandverschickung“

Siegfried Bakiera wurde 2017 als Heimatfreund Hamborn geehrt.
Siegfried Bakiera wurde 2017 als Heimatfreund Hamborn geehrt. © Jörg Schimmel

Als die Bombenangriffe aufs Ruhrgebiet in den letzten anderthalb Jahren des Zweiten Weltkriegs (1944/1945) immer stärker wurden, schickten viele Eltern ihre Kinder aufs Land.

In den Gastfamilien hatten die Pflegekinder meist schnell Kontakt zu den Kindern der Gastgeber gefunden. Daraus entwickelte sich so manche lebenslange Freundschaft.