Hamborn. Im Gegensatz zu Walsum kaufen zwischen Marxloh und Neumühl auch Bürger ein, die nicht dort wohnen. Minus: 20 Geschäfte weniger seit 2008.

Neue Bescheidenheit demonstriert die Stadt mit dem aktuellen Einzelhandelskonzept für den Stadtbezirk. Hatte der Vorläufer von 2010 im Zeichen der geplanten Ausweisung eines riesigen Fabrikverkaufszentrums (FOC) an Stelle der Rhein-Ruhr-Halle gestanden, so rücken jetzt die Stadtteil-Einkaufszentren wieder in den Mittelpunkt. Dabei steht Hamborn im stadtweiten Vergleich nicht einmal schlecht dar. Gutachter Donato Acocella aus Lörrach schlägt eine behutsame Weiterentwicklung vor.

Anders als zum Beispiel in Walsum schafft es der Einzelhandel in Hamborn, sogar mehr als die vorhandene Kaufkraft seiner Bevölkerung am Ort zu binden. Nach den Zahlen über die vorhandenen Verkaufsflächen der Betriebe und ihren Umsatz 2017 waren es 104 Prozent, in Walsum dagegen nur 57 Prozent, dort der mit Abstand niedrigste Wert unter den Duisburger Stadtbezirken.

Seine gute Position im Einzelhandel verdankt Hamborn vor allem den bei Kunden auch von auswärts beliebten Anbietern von Teppichen und Bodenbelägen (191 Prozent Kaufkraftbindung), Unterhaltungselektronik (171 Prozent), Haustieren und Tierprodukten (166 Prozent) sowie Bekleidung (152 Prozent). Bücher (nur zwölf Prozent), Sportartikel (21 Prozent) und Möbel (30 Prozent) kaufen dagegen selbst die Hamborner überwiegend außerhalb ihres Stadtbezirks ein.

Weniger Bevölkerung erwartet

Während der Stadtmitte als Duisburgs Hauptzentrum auch für die Hamborner die Funktion zukommt, selten nachgefragte Güter anzubieten, zum Beispiel Wohnungsausstattung, Uhren oder Schmuck, haben die einzelnen Zentren in Hamborn die Aufgabe, Güter des täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Getränke, Hygieneartikel, Medikamente) und häufiger, aber nicht täglich nachgefragte Güter (Bekleidung und Wäsche, Bücher, kleine Elektrogeräte, Büroartikel, Spielwaren) vorzuhalten. Beides zusammen sollen Nebenzentren leisten. Reine Nahversorgungszentren dagegen sind hauptsächlich für den täglichen Bedarf da.

Blick auf das Grundstück zwischen Job-Center und Bertha-von-Suttner-Str, wo im vergangenen Jahr ein neuer, moderner Discounter an den Start ging.
Blick auf das Grundstück zwischen Job-Center und Bertha-von-Suttner-Str, wo im vergangenen Jahr ein neuer, moderner Discounter an den Start ging. © Frank Oppitz

Angesichts eines in Zukunft vorausgesagten Rückgangs der Bevölkerung werden dem Einzelhandel in Duisburg nur bei günstiger Gesamtkonjunktur insgesamt Wachstumschancen in Aussicht gestellt. Deshalb rät der Gutachter den Verantwortlichen, mit zusätzlichen Flächen für Ansiedlungen zurückhaltend zu sein. Ansonsten seien nur Umzüge zu erwarten, die an heutigen Standorten Leerstände zur Folge hätten.

Alt-Hamborn und Marxloh bilden nach dem vorgelegten Konzept künftig jeweils eigene Nebenzentren. Neumühl soll vom Nahversorgungs- zum Nebenzentrum hochgestuft werden, Röttgersbach dagegen nicht einmal mehr als Nahversorgungszentrum geführt werden.

Neumühl verdankt seine künftige Einstufung als Nebenzentrum der Tatsache, dass auch dort überwiegend Güter des mittel- und langfristigen Bedarfs (61 Prozent) angeboten werden, auf 9425 Quadratmeter Verkaufsfläche in 45 Geschäften im Jahre 2017. Das sind drei Geschäfte weniger als 2008, aber rund 1000 qm mehr Fläche.

Um das Zentrum künftig attraktiver zu gestalten, empfiehlt der Gutachter, den Hohenzollernplatz gestalterisch aufzuwerten, den Lidl-Parkplatz besser an die Fußgängerzone Holtener Straße anzubinden und ihn auch von der Lehrerstraße aus leichter erreichbar zu machen.

Vor allem der Osten Neumühls gilt allerdings als unterversorgt. Nur dort sieht der Gutachter noch Bedarf für einen weiteren großflächigen Lebensmittelmarkt.

Röttgersbach herabgestuft

Weil Röttgersbach mit der Ziegelhorststraße es nur auf rund 3500 Quadratmeter Verkaufsfläche, sieben Geschäfte und lediglich acht Prozent der Fläche für Güter des mittel- bis langfristigen Bedarfs bringt, soll ihm selbst der Status eines Nahversorgungszentrums aberkannt werden. Ein einziger großer Supermarkt (Edeka) sorgt hier für die Nahversorgung, was nach Ansicht des Gutachters aber kein Zentrum ausmacht.

Daneben gibt es im Bezirk noch zwei Sonderstandorte, nämlich verstreuten Einzelhandel im Bereich Theodor-Heuss-Straße in Neumühl und einen mit Lebensmittelmärkten an der Schlachthofstraße in Röttgersbach.

Für gleichwertige Lebensverhältnisse wichtig ist ein für alle Bevölkerungsgruppen guter Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Würde man die Bedarfsdeckung ausschließlich den Regeln des Wettbewerbs überlassen, wären nach kurzer Zeit soziale Unausgewogenheiten die Folge.

Angebot verschiebt sich innerhalb der Kommune

Das Angebot würde sich in jeder Stadt mehr dorthin verschieben, wo Geschäfte und Büros gut mit dem Auto zu erreichen wären und wo besonders zahlungskräftige Kunden leben. Menschen ohne Auto und/oder mit kleinem Geldbeutel müssten weitere Wege in Kauf nehmen, um sich versorgen zu können.

Die Fixierung auf das Auto würde zudem dazu führen, immer mehr große Märkte entlang der Ausfallstraßen anzusiedeln. Etablierte Stadtzentren bekämen starke Konkurrenz, würden womöglich sogar ausbluten. Das ist im Zeitalter des Klimawandels auch nicht umweltfreundlich. Denn die Stärke innerstädtischer Zentren besteht auch darin, ein vielfältiges Angebot zu präsentieren, so dass die Kunden Erledigungen miteinander kombinieren können. Das spart Autofahrten und schont damit die Umwelt.

Landesplanung reguliert Angebot

Aus all diesen Gründen verpflichtet die Landesplanung die Städte, ihren Einzelhandel auf die bestehenden Zentren auszurichten. Außerhalb dieser Zentren dürfen größere Märkte nur ausnahmsweise genehmigt werden. Die Steuerung geschieht über die planerische Ausweisung von Flächen für Ansiedlungen oder Nutzungen. Entscheidend ist, ob langfristig ein vielfältiges Angebot vom Fachgeschäft bis zum Verbrauchermarkt mit mehreren tausend Quadratmetern Fläche zur Verfügung steht.

Um an Stelle der ziemlich isoliert liegenden Rhein-Ruhr-Halle einen großes FOC ansiedeln zu können, mussten deshalb planerisch die beiden Zentren Marxloh und Alt-Hamborn 2008 als gemeinsames Hauptzentrum ausgewiesen werden.

Jahrelang hielt die Stadt an den FOC-Plänen fest, ohne dass es ein Vorankommen gegeben hätte. 2016 gab sie dem dubiosen Investor, der zuletzt sogar mit Haftbefehl zur Erklärung der Zahlungsunfähigkeit gesucht wurde, den Laufpass und stellte die Planung für das Projekt ein.

Das Nebenzentrum Hamborn ist durch einen deutlichen Rückgang der Geschäfte zwischen 2008 und 2017 (86 statt 106), ebenso der Verkaufsfläche (18.575 statt 22.100 Quadratmeter) und ein fast ausgeglichenes Angebot an Gütern des täglichen (38 Prozent), mittelfristigen (29 Prozent) und langfristigen Bedarfs (33 Prozent gekennzeichnet.

Seinen Schwerpunkt bilden die Jägerstraße mit dem Altmarkt, Rathausstraße und Schreckerstraße sowie ein Teil der Duisburger Straße. Zu seiner Stärkung schlägt der Gutachter vor, den Altmarkt aufzuwerten und nicht nur als Parkplatz zu nutzen.

Außerdem sollte dem angrenzenden Bereich der Duisburger Straße der Charakter als Einkaufsstandort für Autokunden etwas genommen werden, indem dort noch Wohn- und Geschäftshäuser angesiedelt und die Wegeverbindung in Richtung Altmarkt verbessert werden.

Marxloh als Nebenzentrum ist durch einen deutlichen Zuwachs an Geschäften (164 gegenüber 132) und Verkaufsfläche (30.200 statt 25.675 Quadratmeter) gekennzeichnet.

Marxloh ist bei Nahversorgung top

Nur 15 Prozent der Flächen dienen allerdings dem täglichen Bedarf, der Rest dem mittel- bis langfristigen Bedarf. Trotzdem erreichen 87,5 Prozent der Marxloher ihr Nebenzentrum zur Nahversorgung zu Fuß innerhalb von zehn Minuten. Der Spitzenwert im Stadtbezirk.

Als Nachteile werden ihm insgesamt 48 leerstehende Ladenlokale und eine teilweise schlechte Gebäudesubstanz attestiert. Empfehlungen des Gutachters: den August-Bebel-Platz aufwerten und nicht nur als Parkplatz nutzen, für mehr Straßencafés sorgen, das Marxloh-Center modernisieren.