Neumühl. Christiane Wirtz hatte fünf Psychosen. Im Buch „Neben der Spur“ erzählt sie, wie die Krankheit sie komplett abstürzen ließ und sie alles verlor.

„Ich dachte Mick Jagger ist mein Vater und John F. Kennedy mein Onkel. Ich bin sogar nach Israel gereist, um meinen Cousin Benjamin Netanjahu zu besuchen und ihn um ein bisschen Geld anzupumpen. Klingt abgedreht – ist völlig abgedreht.“

Christiane Wirtz ist eine beeindruckende und mutige Frau. Sie hat ihren Humor nicht verloren, obwohl sie etwas durchlebt hat, was sich gesunde Menschen nicht in ihren schlimmsten Träumen vorstellen möchten. Die 52-jährige Journalistin und Autorin war 34 Jahre alt, als die erste Psychose auftrat. Es folgten vier weitere, wobei die letzte die längste und schlimmste war. „Ich lebte zweieinhalb Jahre in einem Wahn“, sagt Wirtz.

Ihre Geschichte hat sie nun aufgeschrieben. Nicht anonym, sondern unter ihrem Klarnamen. Denn Christiane Wirtz sieht in ihrer Erkrankung auch eine Chance. Eine Chance aufzuklären, das Tabuthema Psychose unter dem Teppich hervorzuholen, unter den psychische Erkrankungen nach wie vor gerne gekehrt werden.

Das Unbehagen, ob man auch lachen darf

Im Sozialpsychiatrischen Zentrum – Nord war Christiane Wirtz am Freitag zu Gast und hat aus ihrem Buch „Neben der Spur“ gelesen. Ausgewählte Passagen, die teils sehr bedrückend teils aber schon etwas komisches hatten. Das Unbehagen, ob man an einigen Stellen auch mal lachen darf, konnte die Autorin den Gästen schnell nehmen.

Denn genau das ist es, was Christiane Wirtz erreichen möchte. Die Berührungsängste, die nach wie vor bestehen, wenn es um psychische Erkrankungen geht, müssen abgebaut werden – auch wenn sich in den letzten Jahren einiges getan hat, von einer völligen Entstigmatisierung sei man jedoch noch weit entfernt.

Job, Freunde, Wohnung – alles weg

Job weg, Freunde weg, Wohnung weg. Das Loch, in das Wirtz nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie gefallen ist, hätte nicht viel tiefer sein können. So beschreibt es auch der Untertitel des Buches sehr treffend: „Wenn die Psychose die soziale Existenz vernichtet.“

Nach fünf Monaten in der geschlossenen Abteilung war Christiane Wirtz nicht viel geblieben. „Zweieinhalb Jahre war ich psychotisch und wurde dann durch die Einweisung und die Medikamente, die ich erhielt, in eine Realität zurückgeholt, die für mich in dem Moment nicht wirklich die bessere Alternative war.“ Aber Wirtz ist eine Kämpferin. Auch wenn einige Ärzte und Therapeuten ihr zum Frühruhestand rieten, kam das für die Kölnerin nicht in Frage.

Menschen und Perspektiven holten sie ins Leben zurück

„Die Medikamente haben mich vielleicht runtergeholt“, sagt Wirtz. „Aber rausgeholt haben mich Menschen und Perspektiven.“ In ihrem Buch hat sich die Autorin aus verschiedenen Perspektiven mit ihrer Erkrankung auseinandergesetzt. Einmal natürlich die eigene, das was sie selbst erlebt hat. Aber auch „wie andere mich in dieser Zeit erlebt und gesehen haben“, so Wirtz.

„Dieses Buch und die Herangehensweise, wie ich das Buch schreiben konnte, ist natürlich auch ein Privileg.“ Dass Christiane Wirtz keinesfalls alleine ist, erlebt sie bei ihren Lesungen. Auch im Sozialpsychiatrischen Zentrum Duisburg-Nord war das Interesse groß.

Betroffene, Angehörige und Fachleute waren gekommen, um der Geschichte von Wirtz zu lauschen und mit der Autorin ins Gespräch zu kommen. Denn Reden hilft, das wissen die Betroffenen. Es ist Christiane Wirtz ein großes Anliegen, dass sich Menschen mit einer psychischen Erkrankung öffnen und nicht verstecken.