Duisburg - Hamborn. In der Sitzung der Bezirksvertretung Hamborn gab es diverse Kritik, weil Klassenräume allerorten fehlen. Brandbriefe der Schulleiter liegen vor.

Nach der Schule am Park in Marxloh wehrt sich auch die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesamtschule in Hamborn gegen eine übereilte Entscheidung, wie die Raumnot dort zu lösen ist. Damit gerät die Art und Weise, wie Oberbürgermeister Sören Link das Problem im Stadtbezirk lösen lässt, immer mehr auf Kritik.

Zwar verlas SPD-Sprecher Christopher Hagenacker in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung eine Art Solidaritätsbekundung seiner Fraktion in Richtung Verwaltung. Aber je länger die Diskussion über das Thema andauerte, desto mehr kritische Stimmen gab es auch aus dem SPD-Lager. Zumal Karl Hußmann, Leiter der Gesamtschule, mit einer Einwohneranfrage zur weiteren Verunsicherung der Politiker beitrug.

Walsum bekommt einen Neubau

Wie berichtet, soll die Gesamtschule in Alt-Hamborn die im Sommer auslaufende Comenius-Hauptschule an der Reichenberger Straße zusätzlich als Nebenstelle beziehen. Sie fordert aber einen Neubau auf ihrem Gelände. Das erhoben die Bezirksvertreter auf SPD-Vorschlag hin auch zum Prüfauftrag an die Verwaltung. Sie folgten damit einer Forderung aus den Reihen der Elternschaft. Allerdings kamen die Antworten der Verwaltung auf eine Einwohneranfrage von Elternvertreter Marc Buchholz nicht zur Beratung. Der verließ nach über einer Stunde Wartezeit die Sitzung, weil die Vertreter der Schulverwaltung zunächst die gleichzeitig tagenden Bezirksvertretungen Mitte und Rheinhausen besucht hatten.

Beratungsbüro soll eingeschaltet werden

„Dieses Ziel umfassender Prüfung verfolgen wir mit einem von auswärts kommenden Schulraumplaner ja auch“, erklärte Reinhard Wolf vom Amt für schulische Bildung. Mit der Sitzungsvorlage wollte er sich grünes Licht auch für die Einschaltung eines solchen Beratungsbüros geben lassen. Es soll alle Faktoren prüfen, die bei der Vergrößerung einer Schule berücksichtigt werden müssen: zum Beispiel die Schülerzahlen in fernerer Zukunft, nutzbare Schulgebäude in der Nähe, die pädagogischen Auswirkungen mehrerer Standorte oder einer bestimmten Größe einer Schule. Die Vorschläge der Verwaltung hätten immer vorbehaltlich einer detaillierten Prüfung gegolten, betonte Wolf. Ein Jahr nach Ausbruch der Schulraum-Not habe OB Sören Link im Rathaus eine Stabsstelle Schulraumerweiterung geschaffen, fuhr er fort.

Vorwurf: Es wird mit zweierlei Maß gemessen

Den Vorschlag, die Comeniusschule als Nebenstelle einzurichten, begründete er damit, die verhältnismäßig kleine Oberstufe der Gesamtschule solle dorthin ausgelagert werden. An der Schule hatte man das anders verstanden. Den älteren Schülern sei der Weg zum Hauptgebäude zuzumuten. Und da Oberstufenkurse relativ wenige Schüler hätten, sei auch die Klassengröße von weniger als 60 Quadratmetern dort hinnehmbar. Schulleiter Hußmann hielt der Verwaltung in seiner Anfrage vor, die Stadt verfüge noch nicht einmal über konkrete Maßstäbe für die räumliche Ausstattung einer Gesamtschule. Außerdem werde mit zweierlei Maß gemessen.

Walsumer Gesamtschule bekommt neue Räume

Für die Gesamtschule Walsum habe man eine Dependance in der ehemaligen Hauptschule Ludgerusstraße abgelehnt. Dabei seien die Wegezeiten zwischen beiden Gebäuden dort mit denen in Hamborn vergleichbar. Aber dort vertritt die Verwaltung eine Erweiterung am Standort.

Ende März fehlten 380 Schulplätze 

Christopher Hagenacker (SPD) nahm die Verwaltung in Schutz. Die Verhältnisse hätten sich völlig ins Gegenteil verkehrt. Statt massivem Schülerschwund platzten die Schulen heute aus allen Nähten. „Wir müssen für alle Schulen eine gute Versorgung anstreben“, hieß es in dem von ihm verlesenen Text. Und weiter: „Die SPD stimmt jeder Vorlage zu, die Raum für alle Schüler schafft.“ Duisburg brauche Hilfe, mahnte er, nämlich längere Zeiträume, um Fördergelder verbauen zu können, eine sichere Lehrerversorgung und mehr Sozialarbeiter. Da stehe auch die CDU als Partei der Landesregierung in der Pflicht.

Von CDU-Seite aus kamen erstmals kritische Töne. „Die Schulen im Stadtbezirk sind tief verunsichert“, stellte Marcus Jungbauer fest. Das zeige sich jetzt auch bei der Leibniz-Gesamtschule. Grund sei das Vorgehen der Verwaltung. Die hatte sich vor ei­nem Jahr mit Dringlichkeitsentscheidungen, also ohne ausführliche Beratung in den Gremien, grünes Licht dafür geben lassen, die Schule am Park und die Schule am Röttgersbach als Ausweichstandorte mit Schulcontainern auszustatten. An der Schule am Park hatte es heftige Proteste gegeben. Jungbauer betonte, von den Containern dort sei noch immer nichts zu sehen.

Herbert Fürmann (Linke) brachte zur Sprache, dass Anfang März noch 380 Schüler ganz ohne Schulplatz gewesen seien und kritisierte die Größe der künftigen Schulen. So soll die Leibniz-Gesamtschule dann sieben Parallelklassen erhalten. Auch erinnerte er an den ein Jahr alten Prüfauftrag der Bezirksvertreter, eine neue Grundschule zu bauen.

Claus Werner Krönke (SPD) mahnte, die angedachten Erweiterungen würden nur die Überbelegung vorhandener Klassen beenden. Renate Gutowski (SPD) fragte, warum die alte Anne-Frank-Schule nicht genutzt wird. Und Martina Will (SPD) wollte wissen, wie lange der Neubau einer neuen Schule dauert. Ratsfrau Britta Söntgerath (Piraten) regte an, mehr Sekretärinnen einzustellen, die die Formalitäten erledigen könnten.

Schulleiter verschickten schon früh Brandbriefe 

Ratsfrau Marion Stöbbe (parteilos) zitierte in der Sitzung der Bezirksvertretung aus eindringlichen Schreiben betroffener Schulleiter an die Verantwortlichen bei der Stadt.

So wies Haris Kondza, Leiter der Regelbogenschule in Marxloh, Schuldezernent Thomas Krützberg im März darauf hin, seine Schule habe schon Platz für 170 zusätzliche Kinder geschaffen, doppelt so viele wie eigentlich möglich. Sie habe dafür auf sämtliche Nebenräume verzichtet. Die aber würden dringend benötigt, um die Kinder fördern zu können. Die Kinder stammten aus unbeschreiblich armen Verhältnissen und seien überhaupt nicht auf einen Schulbesuch vorbereitet.

Die Leitung der Schule am Park in Marxloh beklagte sich bei Krützberg, nicht nur in Sachen Klassencontainer einfach übergangen worden zu sein. Jede verlässliche vorausschauende Ar­beit sei durch die entstandene Ungewissheit unmöglich. Den Schaden davon aber hätten die Kinder.

Regina Balthaus-Küper, Leiterin der Städtischen Katholischen Grundschule Henriettenstraße in Marxloh, betonte, dem Zuzug von Kindern aus ärmsten Bevölkerungsschichten stehe der Fortzug solcher Familien gegenüber, die für ihre Kinder eine qualitativ gesicherte Bildungslaufbahn wünschten. Das Niveau ihrer Schule sinke dadurch ab, ihr Bildungsauftrag sei in Gefahr. Das Problem werde an die weiterführenden Schulen weitergegeben. Insgesamt sei der soziale Friede in Marxloh dadurch in Gefahr.

Karl Hußmann, Leiter der Leibniz-Gesamtschule in Alt-Hamborn, legte Krützberg die gefährliche Schieflage seiner Schule dar. Nicht nur räumlich und personell, sondern auch von der Zusammensetzung der Schülerschaft her: 90 Prozent hätten eine Hauptschul-Empfehlung, davon zehn Prozent Förderbedarf. Hußmann bat darum, die angedachten Entscheidungen noch einmal reiflich zu überdenken.

Klaus Hagge, Rektor der Grundschule Sandstraße in Marxloh, mahnte eine dringend nötige bauliche Erweiterung seiner Schule an.

So soll die Raumnot gelöst werden 

So soll die Raumnot an Schulen im Bezirk gelöst werden:

Die Grundschule Salzmannschule in Neumühl erhält einen Neubau für je eine Parallelklasse pro Jahrgang, wächst damit von drei auf vier Parallelklassen. Bis Sommer werden dort zwei mobile Klassenräume aufgestellt.

Als weitere Ausweichstandorte werden die Schule am Park in Marxloh und die Schule am Röttgersbach in Röttgersbach vorgehalten. Auch sie erhalten Klassencontainer. Ihre Schülerzahlen sollen vor einem endgültigen Ausbau weiter beobachtet werden.

Die Gesamtschule Emschertal an der Kampstraße in Alt-Hamborn wird von vier auf sechs Parallelklassen je Jahrgang erweitert.

Eigene Oberstufe wird geprüft

Die Sekundarschule Hamborn an der Kalthoffstraße in Obermarxloh mit Nebenstelle an der August-Thyssen-Straße wird ohne Ausbau um eine Parallelklasse auf sechs je Jahrgang erweitert.

Die Herbert-Grillo-Gesamtschule in Marxloh wird umfassend zum Bildungszentrum ausgebaut. Durch ei­nen Neubau soll sie auf vier statt fünf Parallelklassen je Jahrgang erweitert werden. Auch die Einrichtung einer eigenen Oberstufe wird geprüft. Vorläufig werden zwei mobile Klassen aufgestellt.

Die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesamtschule in Alt-Hamborn wird auf sieben Parallelklassen vergrößert. Sie erhält zunächst vier mobile Klassen. Ihre bauliche Erweiterung oder eine Nebenstelle werden geprüft.

Im Kreis Kleve bis zu neun Parallelklassen 

Reinhard Wolf vom Amt für schulische Bildung erklärte zu den Fragen der Bezirksvertreter, die sieben Parallelklassen seien unproblematisch und würden von der Schulaufsicht ausnahmsweise genehmigt. Im Kreis Kleve gebe es bis zu neun Parallelklassen.

Die tatsächlichen Anmeldezahlen würden leider von den Einwohnerzahlen deutlich nach unten abweichen. Folglich bestehe zur Zeit kein Bedarf für eine neue Grundschule. Das eigentliche Problem bestehe darin, dass sich immer mehr Grundschüler heute fünf Jahre an dieser Schulform aufhalten würden, um Lerndefizite auszugleichen.

Bei den nicht mit einem Schulplatz versorgten Schülern handele es sich um Schüler weiterführender Schulen. Den Standort Obere Holtener Straße in Röttgersbach sehe man für eine zusätzliche Gesamtschule vor. 15 neue Stellen für Sekretärinnen würden vorbereitet.

Ein Vertreter des IMD bezifferte die Zeit für einen Schulneubau auf vier bis fünf Jahre.

Als Hans-Werner Schwarz (parteilos) beantragte, die Beratung zu vertagen, verweigerte ihm Bezirksbürgermeister Uwe Heider (SPD) das Recht, einen solchen Antrag zu stellen und überging ihn einfach.