Marxloh. . Der Kabarettist Christoph Brüske rechnet bei „Kleinkunst in Marxloh“ mit der Bundesregierung, Parteien und internationalen Staatschefs ab.

Für den Förderverein Marxloh ist seine Kleinkunstreihe weit mehr als nur ein Kulturangebot. „Wir befriedigen ein soziales Bedürfnis“, sagt Projektleiter Frank Marona. Natürlich wolle der Verein „ein bisschen Kultur nach Marxloh bringen“, doch die Reihe richte sich gezielt an Senioren aus dem Stadtteil und werde meist von Frauen besucht, die sich gerne an den Kabarettnachmittagen treffen. „Viele sind immobile Seniorinnen, die sich nicht mehr trauen, mit der Straßenbahn in die Innenstadt zu fahren, um Kabarett zu sehen“, ergänzt die Vorsitzende Uschi Dommen. Mit dem Taxi dorthin zu fahren, sei nur für die wenigsten bezahlbar.

Schule wird zu einem Café

Daher bietet der Förderverein seit über fünfzehn Jahren Kabarett im Stadtteil, meist in der Herbert-Grillo-Gesamtschule an der Diesterwegstraße. Wichtig sei jedoch, so Frank Marona, dass die Schule vor Beginn zu einem kleinen Café wird. So auch vor dem Auftritt von Christoph Brüske am Samstag. „Die Damen haben ein Mordsbedürfnis, miteinander zu sprechen“, weiß Marona, und tatsächlich haben sich gut 80 Senioren, darunter auch einige Männer, vorab zum Kaffee verabredet.

Back-Arbeitsgemeinschaft legt sich ins Zeug

Nutznießer ist allerdings auch die Jugend. Denn das Café organisieren am Samstag die Grillo-Schülerinnen der Back-Arbeitsgemeinschaft. Sie verkaufen Kaffee und selbstgemachten Kuchen, Schwarzwälder Kirschtorte ist besonders beliebt. Wem die 1,50 Euro pro Stück zu teuer sind, der dürfe auch ein Brötchen mitbringen. „Uns geht es nicht um Gewinn“, sagt Frank Marona, der die Zusammenarbeit zwischen Verein und den Gesamtschülern sehr gut findet. „So manches graue Mäuschen“ habe durch den Kundenkontakt schon ordentlich Selbstbewusstsein gewonnen – übrigens auch die Jungs der Back-AG.

Selbstbewusst tritt dann auch Christoph Brüske auf die Bühne in der Schulmensa, und er hat das Publikum ganz schnell mit Komplimenten auf seiner Seite: „Marxloh ist das Herz der Stadt Duisburg, der G-Punkt von Hamborn.“ Diese Lobhudelei beendet der Kölner jedoch plötzlich, denn er habe eine Direktverbindung in die SPD-Zentrale. Martin Schulz wolle doch wieder Außenminister werden, „aber nur unter einer Kanzlerin Sahra Wagenknecht“.

Programm ist hochpolitisch

Damit ist klar: Sein Programm „In bekloppten Zeiten“ ist hochpolitisch. Zwar sind ebenfalls Alltagsanekdoten enthalten, etwa über seine Reinfälle bei der Partnerinnensuche oder die Jugendsprache seiner 17-jährigen Tochter. Doch es geht vor allem um deutsche Parteien und internationale Staatschefs. Oft verpackt er seine unverhohlene Kritik in einem Lied mit fröhlicher Melodie, ob an Recep Tayyip Erdoğan, der Krieg gegen die Kurden führt und alle Journalisten als Terroristen einsperrt, ob an Donald Trump mit seinem „Twitter-Tourette“, Theresa May und ihrem Brexit oder an Kim Jon-un, der seine Raketen liebt.

Besonders leidenschaftlich behandelt Brüske aber die deutsche Politik, versucht etwa die AfD als Neonazi-Partei zu entlarven und spielt dazu zu seinem Liedtext immer wieder echte Ausschnitte aus Interviews ihrer Funktionäre und Mitglieder ein. Er wendet sich gegen Angstmacherei mit moslemischen Flüchtlingen, wie sie unter anderem Pegida in Dresden betreibt.

Angela Merkel kriegt ihr Fett weg

Auch die Bundesregierung kriegt natürlich ihr Fett weg. Das Kanzleramt etwa, das den Armutsbericht zusammengestrichen hat und nun so tue, als würden nicht zwei Millionen Kinder in Armut leben. Arme Menschen würden ja durch Hartz IV schon genug gegängelt und schikaniert. Mit der Agenda 2010 habe die SPD „letztlich die Drecksarbeit für die CDU gemacht“. Der bekennende Sozialdemokrat Christoph Brüske setzt auf Andrea Nahles als neue SPD-Chefin. „Sie hat ein treues Sozi-Herz aus der Eifel, ist aber gefangen im Körper einer russischen Kugelstoßerin.“ Doch das Aussehen sei in der Politik ja eigentlich seit Angela Merkel egal. Nein, die SPD sei noch längst nicht am Ende, aber ihre einzige Chance sei es, „wieder soziale Politik zu machen“.

Selbst komplexe Polit-Themen trägt Brüske meist beschwingt vor, zeigt dabei klare Kante und bleibt stets gesittet. Manchmal bleibt den Zuschauern ein Lachen im Hals stecken, doch zum Schluss gibt’s einhelligen Applaus. Denn der Kölner endet mit einem Loblied auf Marxloh, verkneift sich dabei aber auch kritische Töne nicht. Eine Kostprobe: „Die Weseler Straße ist cool, Kleinistanbul. Doch kommt der Clan der Libanesen, wärst du lieber woanders gewesen.“