Hamborn. . Lars von der Gönna und Werner Boschmann lesen in der Buchhandlung „Lesezeichen“ aus dem „Bollerrad“ des verstorbenen Helmut Spiegel.

Zu einer gelesenen Reise in vergangene Kindheiten, als die Hinterhöfe noch voller Wäschepfeiler standen, hat Margit Meier, von der Buchhandlung Lesezeichen, eingeladen. Vorleser und „Reiseleiter“: Lars von der Gönna, Kulturredakteur dieser Zeitung, und der Autor und Verleger Werner Boschmann.

Sie lasen abwechselnd aus dem Buch „Das Bollerrad muss bollern, der Knicker, der muss rollern“. Darin lässt der verstorbene Autor Helmut Spiegel (1932-2014) die verlorenen Spiele seiner Ruhrgebiets-Kindheit in einer Arbeitersiedlung in Altenessen wieder aufleben.

Bunte Geschichten und eigene Farben

Von der Gönna und Boschmann, ein eingespieltes Team, fügten den bunten Geschichten ihre eigenen Farben hinzu. „Aber ich bitte sie, Herr Boschmann, nicht wieder diese Fäkalausdrücke, diesmal“, eröffnete der Kulturredakteur feinsinnig den Dialog. „Ach, Scheiße“, erwiderte der Verleger, der auch eine Internetseite mit stilechten Ruhrgebietsschimpfworten betreibt.

Das konnte ja heiter werden, so hatten die Lesungsgäste schon vermutet, als sie die Karten zur Veranstaltung innerhalb kürzester Zeit aufkauften. Die Stühle für die Zuhörer standen in der Kinderabteilung der Buchhandlung, die genauso groß ist, wie die Erwachsenenabteilung. Man saß zwischen zeitgenössischen Herrlichkeiten, wie leuchtender Flummi-Knete und Büchern mit verheißungsvollen Titeln, wie „Matschige Müffelwitze“ und schwelgte in Erinnerungen.

Nicht Pubertät sondern Flegeljahre

Die Kinder der Vorkriegsjahrgänge kamen nicht in die Pubertät, sondern in die Flegeljahre. Sie maßen sich beim Völkerball, trieben mit einem Stecken das Bollerrad vor sich her und tauschten Glanzbilder. Sie beschummelten einander beim Knickern, wofür es ein eigenes Wort gab.

„Du hast gegöckelt!“, folgte der Aufschrei des moralischen Siegers, dessen von Mama gehäkelter Knicker-Beutel die Schwindsucht hatte. Ein Pitschdop oder Drilldop – ein mit einer Peitsche angetriebener Holzkreisel – kostete 25 Pfennige im EPA-Kaufhaus.

Und die hochnäsige Notburga, deren Vater was Besseres war als einfacher Betriebsschlosser, nämlich Angestellter auf der Zeche, hatte einen mit Kurbel zum Aufziehen.

Springseile mit dem Vorleben einer Wäscheleine

Und ein Springseil, das keine bewegte Vergangenheit als Wäscheleine gehabt hatte. Ein bunt bemaltes Bollerrad, das nie als Fahrradfelge gedient hatte. Wenn schon, dachten die anderen Kinder. Eine Peitsche aus einem Holunderstecken und einem Bindfaden trieb den Dop auch, denn am Ende kam es auf die Technik an.

Die war geschlechtsabhängig. Die Mädchen wickelten die Schnur um den Dop, die Jungen drehten per Hand an. Wehe nicht! „Spielste gez Schickse?“ hieß es dann . . .