Ruhrort. . Im Lokal Harmonie ist der Wochenschwerpunkt „Jüdisches Leben in Duisburg“. Bewegender Vortrag des Historikers Ludger Heid.

Dass der Duisburger Historiker Ludger J. Heid einen seiner zwei Akzente-Vorträge dieser Woche, gerade im Lokal Harmonie abhielt, war dem Hausherren Wolfgang van Ackeren ein Herzens-Anliegen: „Vor 1938 gab es in Ruhrort eine florierende jüdische Bürgerschaft. Ihr Andenken ist aus der kollektiven Erinnerung getilgt, es gibt keine Bilder mehr von der Ruhrorter Synagoge.“

In Ruhrort existierte eine jüdische Gemeinde seit Ende des 18. Jahrhunderts, schreibt Klaus-Dieter Alicke in seinem Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Im Jahre 1928 lebten fast 500 Bürger jüdischen Glaubens im Hafenstadtteil.

Synagoge an der Landwehrstraße am 10. November 1938 in Brand gesetzt

Ihre Synagoge an der Landwehrstraße wurde am 10. November 1938 von Nazi-Schergen in Brand gesetzt und zerstört. Die Hälfte der 1937 noch verbliebenen 130 Ruhrorter Juden wurden in der Folge deportiert und ermordet.

„Ist es überhaupt zulässig, von einem Neuanfang oder Neuaufbau jüdischer Existenz nach der Schoah zu sprechen?“ fragte der Duisburger Historiker Ludger J. Heid zu Beginn seines Vortrags.

Holocaust als Ende des klassischen deutschen Judentums

Nein, die Jüdische Gemeinde Mülheim, Duisburg und Oberhausen habe seit 1945 nichts mehr zu tun mit dem „klassischen“ deutschen Judentum. Es seien nur wenige deutsche Juden in ihre Heimatstädte zurückgekehrt.

Die wenigen deutschen Juden die den Massenmord überlebten, fielen in der Zusammensetzung der heutigen Jüdischen Gemeinde Mülheim - Duisburg - Oberhausen kaum ins Gewicht.

Oft seien es versprengte Juden aus Osteuropa gewesen, die sich in Ermangelung an Alternativen nach 1945 in Deutschland ansiedelten, in Deutschland strandeten.

Erste Schritte zu neuem jüdischen Leben

Erste Schritte zu neuem jüdischen Leben in Duisburg machte 1946 der ehemalige Buchenwald-Häftling Horst Lucas, der auf der Mainstraße 22 für eine jüdische Hilfsorganisation arbeitete. Er wanderte Ende 1946 in die USA aus.

Sein Nachfolger Herbert Heymann, dessen Frau und fünf Kinder in Auschwitz ermordet wurden, starb 1953. Unter dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Mülheim , Solomon Lifsches, fusionierten die beiden Gemeinden 1956 zur Jüdischen Kultusgemeinde Mülheim-Duisburg.

Meidericher Herbert Salomon war Vorsitzender

Der Meidericher Herbert Salomon war Vorsitzender, als die Jüdische Gemeinde Oberhausen 1968 angegliedert wurde. Nach seinem Tode 1972 übernahm der Mülheimer Apotheker Jaques Marx die Führung der Gemeinde, deren Geschicke er 37 Jahre lang prägen sollte.

37 Jahre bis 2010, in denen die Mitgliederzahl um das Vierzigfache wuchs: „Vor allem durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion“, sagte Heid, der die Gemeinde heute trotz zeitweilig massiver Anpassungs- und Integrationsprobleme auf einem guten Weg sieht: „Der Gemeindekindergarten, der auch nichtjüdischen Kindern offen steht, wird sich als eine lohnende Investition in die Zukunft der Gemeinde erweisen.“