Duisburg-Nord. . Bundestag zur Kinderarmut: In Deutschland können die Grundbedürfnisse aller Kinder gedeckt werden. Die Redaktion fragte an der Basis nach
In Duisburg wachsen laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung derzeit 30 Prozent aller Kinder in Familien auf, die Hartz IV beziehen oder auf sonstige staatliche Zusatzleistungen angewiesen sind. Der Anteil dieser, laut Studie armen Kinder, ist im Duisburger Norden noch wesentlich höher.
Bei der Debatte um Kinderarmut im Bundestag am Donnerstag war Grundtenor der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD, dass der Begriff der Kinderarmut Auslegungssache sei. Die Grundbedürfnisse jedes Kindes in Deutschland könnten grundsätzlich durch die sozialen Sicherungssysteme gedeckt werden. Die Opposition aus Linken und Grünen bestritt dies vehement.
Die Redaktion nahm die Debatte zum Anlass, mit Menschen im Duisburger Norden zu reden, die in ihrer Arbeit täglich mit den in der Studie erwähnten Familien und Kindern zu tun haben.
Alleinerziehende Mütter und Hartz IV
Pater Tobias, der als Seelsorger der Herz-Jesu-Kirche seit Jahren auch das Projekt „Kipa – cash for kids“ betreut, sieht keinen großen Auslegungsspielraum, wenn es um das Thema Kinderarmut geht: „Wir haben das Projekt nicht gegründet, weil uns ansonsten langweilig wäre“, sagt der Pater, „sondern weil ich die Armut vor Ort sehe. Wenn ich bei einer der vielen alleinerziehenden Mütter zu Gast bin, die ihre Kinder allein mit Hartz IV großziehen sollen – da mangelt es an allem.“
Materieller Mangel würde verstärkt durch Mangel an Bildung: „Es gelingt dem Staat nicht, diesen Mangel durch Bildungsangebote zu mildern. Ein Armutszeugnis im wahrsten Sinne. Auslegungssache? Da packt mich die Wut.“
Karl-August Schwarthans ist Geschäftsführer der Awo-Integrations-Sparte. Sein Augenmerk richtet sich auf Familien mit Kindern, die von der Statistik der Bertelsmann-Stiftung gar nicht erfasst wurden: „Natürlich gibt es arme Kinder“, sagt Schwarthans, „und von denen, die da völlig zu Recht in der Studie auftauchen, mal ganz abgesehen: Von den 8500 Neuzuwanderern aus Rumänien und Bulgarien im Duisburger Norden sind mehr als die Hälfte Kinder und Jugendliche. Die leben meist unter Hartz-IV-Niveau.“
Abgesehen von akuten Hilfen, die den Mangel an Gesundheitsversorgung, Nahrung, Kleidung mildern könnten, vermisst Schwarthans eine langfristige Strategie zur Bekämpfung von Kinderarmut: „Diese Strategie gibt es nicht“, sagt Schwarthans, „wo ist das langfristig angelegte Programm des Bundes, das etwa länderübergreifend die ärmsten Kommunen in Deutschland mit maßgeschneiderten Ganztages-Kitas ausstattet? Dort könnten die Probleme dieser Kinder aufgefangen werden.“
Stattdessen wachse die Zahl der armen Kinder weiter an: „Intensive Bildungsarbeit wäre ein Weg, dies zu verhindern.“